Artikel 18. Staatlicher Einfluß auf die Besetzung von Kirchenämtern. 357
4. Die Aufhebung des Art. 18. Daß staatliche Einspruchsrecht
bei der Besetzung von Kirchenämtern nach der Gesetzgebung von
1878—1887. Die Wirkung der Aufhebung des Art. 18 — Gesetz vom
18. Juni 1875, s. oben S. 282 — ist ihrer Art nach keine andere wie
die der Art. 15 und 16. Es gilt ebenmäßig das oben S. 314, 329,
338, 344 Gesagte.
Wie bei Art. 15 (nicht 16), so ging auch bei Art. 18 der völligen
eine teilweise Aufhebung voraus. Das Gesetz vom 5. April 1873 gab
dem Artikel die oben S. 282 bezeichnete veränderte Fafsung. Es hält
das Prinzip des Artikels wie seine Vorbehalte aufrecht, fügt jedoch der
ursprünglichen Fassung als neuen, dritten Absatz hinzu:
„Im übrigen regelt das Gesetz die Befugnisse des Staates
hinsichtlich der Vorbildung, Anstellung und Entlassung der
Geistlichen und Religionsdiener und stellt die Grenzen der kirch-
lichen Disziplinargewalt fest."
Das hieß nichts anderes als: Ausnahmen von der Regel des ersten
Absatzes — dem Prinzip, daß die kirchlichen Amter und Stellen nicht
vom Staate, sondern von der Kirche selbst besetzt werden — können
zugunsten des Staates fortab durch einfaches Gesetz eingeführt werden.
Da über Art und Maß der solchergestalt dem Staate „„insichtlich der
Anstellung der Geistlichen und Religionsdiener“ beizulegenden „Be-
fugnisse“ keinerlei beschränkende Bestimmungen getroffen waren, so hatte
die Legislative vollkommen freie Hand. Dem Prinzip des ersten Ab-
satzes war seine Verfassungsgesetzeskraft tatfächlich schon durch das Gesetz
vom 5. April 1873 genommen.
Die der gesetzgebenden Gewalt hiermit gewährte Freiheit wurde
unverzüglich benutzt. Es erging als erstes der sog. Maigesetze des
Jahres 1873 das Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geist-
lichen vom 11. Mai 1873. Dieses Gesetz nimmt der Kirche nicht,
beläßt ihr vielmehr das Recht der Besetzung ihrer Amter. Es bedeutet
insoweit nicht die Rückkehr zum Staatskirchentum, wohl aber allerdings
eine energische Reaktivierung und Betonung des Staatsaussichtsrechts
hinsichtlich der Anstellung und Vorbildung der Geistlichen.
Hiernächst erfolgte die Aufhebung des Art. 18, Gesetz vom 18. Juni
1875, und erhielt die staatliche Legislative in bezug auf Gewährung
und Beschränkung des kirchlichen Stellenbesetzungsrechts nunmehr
völlig freien Spielraum. Indessen ist seitdem die Staatsaufsicht über
das kirchliche Stellenbesetzungswesen nicht noch weiter, über die Linie
des Gesetzes vom 11. Mai 1873 hinaus verschärft, sondern im Gegen-
teil in wesentlichen Punkten wieder gemildert worden. Die einschlägigen