358 Artikel 18. Staatlicher Einfluß auf die Besetzung von Kirchenämtern.
Aussichtsbesugnisse beruhen heute — abgesehen von den im Art. 18
vorbehaltenen und auch nach Abänderung und Aushebung des Artikels
sortdauernd erhalten gebliebenen Bestimmungen (oben S. 354ff.) — auf
dem Gesetz vom 11. Mai 1873 und den zu ihm erlassenen novellarischen
Gesetzen, insbesondere denen vom 14. Juli 1880 (GS 285), 11. Juli
1883 (GS 109), 29. April 1887 (GS 127).
Die Form des nach diesen Gesetzen dem Staate zustehenden Ein-
flusses auf die Besetzung der Kirchenämter ist durchweg die des Ein-
spruchsrechtes, also eines negativ wirkenden (Veto-)Rechtes, vermöge
dessen die Staatsgewalt in der Lage ist, die Verleihung von Kirchen-
ämtern an solche, die gewissen gesetzlichen Erfordermissen nicht genügen,
zu hindern. Die grundlegende Bestimmung ist § 1 des Gesetzes vom
11. Mai 1873, wonach „ein geistliches Amt in einer der christlichen
Kirchen“ nur demjenigen übertragen werden darf, „gegen dessen
Anstellung von der Staatsregierung kein Einspruch erhoben
worden ist“.
Das Gesetz vom 11. Mai 1873 gilt nur für die „christlichen Kirchen“.
Gemeint sind die Kirchen im engeren und eminenten Sinne dieses
Wortes, also die Landeskirchen (die katholische Kirche, einschließlich
der altkatholischen; die verschiedenen evangelischen Landeskirchen; auch
die niedersächsisch-konföderierten Gemeinden in Hannover und die
resformierten Gemeinden in Schleswig-Holstein; vgl. Hinschius, Kirchen-
gesetze von 1873, 103, Schoen, Evangelisches Kirchenrecht 1 177 N. 2).
Die anderen christlichen Religionsgesellschaften, auch die im Besitze der
Korporationsrechte befindlichen (s. bei Art. 13 S. 250), und alle nicht-
christlichen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes.
Ferner finden hier in Rede stehende Vorschriften des Gesetzes
über das Einspruchsrecht des Staates „in den Fällen keine Anwendung, in
welchen die Anstellung durch Behörden erfolgt, deren Mitglieder sämtlich
vom König ernannt werden (5 28 des angeführten Gesetzes). Damit ist
das Gesetz den evangelischen Landeskirchen gegenüber faktisch so gut wie
ganz ausgeschaltet, denn deren Geistliche werden durchweg (seltene Aus-
nahmen abgerechnet, vgl. über dieselben Hinschius, Preußisches Kirchen-
recht 65, Schoen, Evangelisches Kirchenrecht 2 77 und N. 3) von solchen
Behörden „angestellt“ (d. h. ernannt, sei es im Wege freier kirchen-
regimentlicher Verleihung oder auf Gemeindewahl oder auf Präsen-
tation des Patrons), „deren Mitglieder vom König ernannt werden“ —
nämlich von den Königlichen Konsistorien.
Tatsächlich bezieht sich das Einspruchsrecht des Gesetzes vom
11. Mai 1873 also — von den erwähnten seltenen Ausnahmen ab-