Artikel 20—26. Offentliche und Privatschulen. 365
Sinne ist art. 17 der belgischen Verfassung zu verstehen: er ist die
Grundlage des Schulrechts eines nicht sowohl liberalen als llerikalen
Musterstaates. Eine Ordnung des Unterrichtswesens, deren Rezeption
in Deutschland und insbesondere in Preußen weder durch politische
Erwägungen geboten, noch durch sachliche Gründe im mindesten gerecht-
fertigt war. Das Zustandekommen der preußischen Verfassung war nicht
bedingt durch den guten Willen des — zwar vorhandenen, auch einfluß-
reichen, aber nicht maßgebenden Klerikalismus. Weder die Staats-
regierung noch der Liberalismus waren genötigt, der katholischen Auf-
fassung über das richtige Verhältnis von Kirche und Schule Zugeständ-
nisse zu machen; sie wollten solche auch nicht machen. War man auf
beiden Seiten gesonnen, in der Befreiung der Kirche vom Staat sehr
weit — manche meinten schon damals: allzuweit (vgl. oben S. 283—286)
— zu gehen, so war man, vielleicht gerade deshalb, um so fester ent-
schlossen, mit der Kirche nicht auch noch die Schule zu „befreien“, das
heißt, sie aus der Hand des Staates in die der Kirche zu geben. Man
gedachte vielmehr, an der geschichtlich gewordenen und wohlbewährten
Eigenart des heimischen Unterrichtswesens grundsätzlich festzuhalten.
Diese Eigenart zeigte mehr oder minder überall in Deutschland, ganz
besonders aber in Preußen das Bild eines im Prinzip nicht privaten,
sondern öffentlichen und, soweit öffentlich, nicht kirchlich, sondern staat-
lich geleiteten Schulwesens. Sie beruhte durchweg duf der Auffassung,
daß die Sorge für Bildung und Erziehung des Volkes Recht und Pflicht
des Staates sei. Wie es das AdR II 12 §. 1 ausdrückte: „Schulen
sind Veranstaltungen des Staats, welche den Unterricht der Jugend
in nützlichen Kenntnissen und Wissenschaften zur Absicht haben.“ Der
Staat, nicht die Kirche, hat in Deutschland das neuere Schulwesen,
namentlich aber die Volksschule (vor dem 18. Jahrhundert ist von einer
solchen ernstlich nicht zu reden) geschaffen. Er hatte es sich überall
angelegen sein lassen, die christliche Religion in der Schule zu berück-
sichtigen, auch die Geistlichen seiner Landeskirchen bei der Verwaltung
des öffentlichen Schulwesens zu beteiligen, ohne aber die Herrschaft über
die Schule aus der Hand zu geben. Und er hatte, kein Einsichtiger
konnte es leugnen, diese Herrschaft dazu gebraucht, um das öffentliche
Schulwesen zu der Höhe emporzuheben, auf der es, dem gesamten
Auslande ein Vorbild, in Deutschland lange schon vor 1848, sich befand.
Der eintretende Konstitutionalismus konnte, wenn er sich nicht zum
Anwalt des Kulturrückschritts machen wollte, seine Aufgabe nicht darin
erblicken, an diesen staatsrechtlichen Grundlagen des Unterrichtswesens
zu rütteln; er durfte die große nationale Volksbildungsanstalt des