374 Artikel 20. Der Staat und die wisse nschaftliche Lehrtätigkeit.
und zu unterlassen, was die Organe der öffentlichen Gewalt in Aus-
übung ihrer gesetzlichen Befugnisse verbieten, kann niemand sich entziehen
durch Berufung auf Verfassungssätze wie Art. 20.
4. Tätigkeiten, denen gegenüber Art. 20 suspendiert ist. —
Hierher gehören, wie oben S. 371 angegeben, alle wissenschaftlichen
Tätigkeiten, welche unter den Begriff der Lehrtätigkeit i. e. S., des
Unterrichtes, fallen, sei es des Privat-, sei es des öffentlichen Unterrichts.
Was zunächst den wissenschaftlichen Privatunterricht anlangt, so
gelten für diesen, insbesondere über die Frage, wer solchen Unter-
richt erteilen darf, über die Errichtung und den Betrieb von Privat-
unterrichtsanstalten usw. keine besonderen Vorschriften, sondern die
allgemeinen Bestimmungen über den Privatunterricht, jedoch nicht der
einschlägige Art. 22, sondern, da dieser ebenso wie Art. 20 vorerst sus-
pendiert ist, die statt seiner noch in Kraft stehenden Normen des älteren
Rechts: vgl. Bemerkungen zu Art. 22, S. 393ff.
Sodann der öffentliche, d. h. an öffentlichen Lehranstalten
gegebene Unterricht. In Betracht kommen hier naturgemäß in erster
Linie nicht die niederen, sondern die hohen Schulen: Universitäten
und andere (technische, landwirtschaftliche, forst-, bergbauwissenschaftliche)
Hochschulen, welche allein die eigentlichen Pflegestätten der Wissenschafts-
lehre darstellen Auch hier, für den gesamten wissenschaftlichen Betrieb
der Hochschulen ist Art. 20 heute keine anwendbare Norm, da es
hinsichtlich dieser Anstalten an einer „anderweiten gesetzlichen Regelung"“
im Sinne des Art. 26 noch fehlt. Die hieraus folgende Suspension
des Art. 20 würde zunächst bedeuten und bewirken, daß die über
die „Wissenschaft und ihre Lehre“ etwa erlassenen älteren (vorkonsti-
tutionellen) Normen statt des Art. 20 fortgelten. Näheres Zusehen
ergibt jedoch, daß dergleichen Normen als ausdrückliche und be-
sondere Vorschriften, welche die Freiheit der Wissenschaft sei es
gewährten, sei es beschränkten, bei Inkrafttreten der Verfassung nicht
mehr in Geltung standen. Dem Recht der letzten vorkonstitutionellen
Zeit waren solche Vorschriften fremd. Die seinerzeit gegen den Besuch
außerpreußischer Universitäten ergangenen Verbote gehören nicht hierher
(s. unten S. 378). Die in Verfolg des Bundesbeschlusses vom 20. Sept.
1819 angeordnete außerordentliche Verschärfung der Staatsaufsicht über
die Universitäten (vgl. vR 2 453 N. 1) war schon vor der Verfassung,
spätestens durch den BBeschl vom 2. April 1848, außer Wirksamkeit
getreten (so mit Recht vR a. a. O., ferner Zachariae, Deutsches Staats-
und Bundesrecht 1 249ff., 2 382, Zoepfl, Grunds. d. Gem. D. Staatr.
2 616, Kahl, Geschichtliches und Grundsätzliches aus der Gedankenwelt