Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

382 Artikel 21. Sorge des Staates für das Schulwesen. 
frage stets unabhängig von dem etwaigen Vorhandensein privater 
Unterrichtsanstalten zu prüfen. 
Erscheint als primärer Träger der durch Abs. 1 statuierten Für- 
sorgepflicht der Staat, so ist hiermit doch nicht gesagt, daß die Errich- 
tung und Unterhaltung der Schulanstalten stets durch den Staat selbst 
und auf seine Kosten erfolgen müsse, daß, anders ausgedrückt, die Volks- 
schulverwaltung nur reine Staatsverwaltung, nicht auch Selbstverwaltung 
sein dürfe. Vielmehr zeigt Art. 25 Abs. 1, daß der Prinzipalträger 
der Volksschullast nicht der Staat, sondern die Gemeinde ist, und aus 
Art. 24 Abs. 3 Satz 1 ergibt sich, daß der Gemeinde — als Hauptaufgabe 
der dort genannten „äußeren Angelegenheiten“ — die Errichtung und 
Unterhaltung der Schulen, die Beschaffung der Lehrmittel usw. zukommt. 
Die dem Staate aus Art. 21 Abs. 1 erwachsende Pflicht ist zunächst 
als eine gesetzgeberische gedacht: der Staat soll durch seine Gesetz- 
gebung (s. Art. 26 und die Ausführungen dazu) unter Beobachtung der 
in den Art. 21—25 enthaltenen Grundsätze dafür sorgen, daß überall 
ausreichende und durchführbare öffentlichrechtliche Verpflichtungen be- 
stehen, deren Gegenstand es ist, eine im Sinne des Abs. 1 „genügende" 
Beschaffenheit des Volksschulwesens zu gewährleisten. 
Ergänzt wird Art. 21 Abs. 1 durch Art. 25 Abs. 1, wonach der 
Staat, welcher im Art. 21 versprochen hat, für das Schulwesen ge- 
nügend zu sorgen, verpflichtet ist, die hieraus entstehenden Kosten — die 
Schullast — insoweit selbst zu tragen, als die in erster Linie hierzu 
verpflichtete Gemeinde zur Erfüllung ihrer Pflicht „unvermögend“ ist. 
Treffend hat auf diesen Zusammenhang der Art. 21 und 25 der Minister 
v. Ladenberg, I. K. 1079, mit folgenden Worten hingewiesen: „Für die 
Bildung der Jugend soll durch öffentliche Schulen genügend gesorgt 
werden. Wenn dieser Satz in der Verfassung steht, so muß er erfüllt 
werden, und wer soll ihn erfüllen? Die Gemeinde, wenn und soweit 
sie es nicht kann, weil sie in der Unmöglichkeit ist, kann dazu nicht 
gezwungen werden. Es muß also ein Subjekt da sein, welches die 
Berheißung der Verfassung zu erfüllen hat ... und dieses Subjekt ist 
allein und kann allein der Staat sein.“ — 
Die durch Abs. 1 vom Staate übernommene Pflicht ist erfüllt; 
es wird sich nicht bestreiten lassen, daß in Preußen für die Bildung 
der Jugend so gesorgt sei, wie die Vorschrift, von der hier die Rede 
ist, es verlangt. Die zur Erhaltung und Fortentwicklung des Volksschul- 
wesens nötigen öffentlichrechtlichen Pflichten der Gemeinden — der Haupt- 
träger der Volksschullast nach dem Willen der Verfassung, Art. 25 Abs. 1— 
sowie des Staates sind neu und einheitlich (mit Geltungskraft für das
	        
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