Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 21. Der Unterrichtszwang. 383 
ganze Staatsgebiet, ausgenommen die Provinzen Westpreußen und 
Posen) geordnet durch das Gesetz, betreffend die Unterhaltung der 
öffentlichen Volksschulen vom 28. Juli 1906 (VUG). Vgl. über 
dieses Gesetz die Erörterungen zu Art. 24 Abs. 1, 3, Art. 25 Abs. 1. 
Nach dem VUG bildet jeder Ortskommunalverband (Gemeinde oder 
selbständiger Gutsbezirk) einen Schulverband für sich mit einem ihm 
eigenen Schulwesen, sofern er nicht von der zuständigen Behörde (Schul- 
aussichtsbehörde) mit andern Gemeinden oder Gutsbezirken zu einem 
„Gesamtschulverband“ vereinigt wird (vgl. v. Bremen, Komm. zum 
Vu# 20fff.). Es ist also die gesetzliche Regel, daß in jeder Ge- 
meinde mindestens eine Volksschule besteht (nach Bedarf mehrere), eine 
Regel, welche freilich durch das Dasein einer sehr großen Anzahl von 
Gesamtschulverbänden, also Gruppen von Gemeinden (Gutsbezirken), 
welche die Schule gemeinsam haben, durchbrochen wird. 
Im Jahre 1906 bestanden in Preußen 37761 öffentliche Volks- 
schulen, in denen rund 6,16 Millionen Kinder von 102000 Lehrern 
und Lehrerinnen unterrichtet wurden, so daß auf eine Lehrkraft durch- 
schnittlich 60 Kinder (Reichsdurchschnitt: 58 Kinder; vgl. Statist. Jahrb. 
f. d. Deutsche Reich 1908 253) entfielen. Von jenen 37761 Schulen 
liegen im Geltungsgebiet des VuG##(s. oben) 32585, welche von 
insgesamt 25968 Schulverbänden (davon 13897 Gemeinden und Guts- 
bezirke, die einen Schulverband für sich — „Eigenschulverband“ — 
bilden und 12071 Gesamtschulverbände) unterhalten werden (die letzten 
Ziffern nach Loening, Die Unterhaltung der öffentlichen Bolksschulen 
und die Schulverbände in Preußen, Jahrb öff R 3 116 a). 
3. Der Unterrichtszwang (die allgemeine Schulpflicht). — Der 
im zweiten Absatz des Art. 21 ausgesprochene Grundsatz ist altes preußi- 
sches Recht. Die geschichtliche Entwicklung beginnt mit der Vfig. vom 
28. September 1717 (C. C. M. I, 1, 527), worin für die Orte „wo Schulen 
seyn“ (die waren damals nicht eben zahlreich), den Eltern unter An- 
drohung „nachdrücklicher Strafe“ eingeschärft wird, ihre Kinder zur 
Schule zu schicken. Ganz allgemein ordnet das Generallandschulregle- 
ment vom 12. August 1763 (JF. C. C. III 265ff.) an, daß alle, denen 
die Erziehung der Jugend obliegt, ihre eigenen oder ihrer Pflege an- 
vertrauten Kinder vom „fünften bis in das dreizehnte und vierzehnte 
Jahr“ die Schule besuchen lassen sollen. Im ALR erscheint das gleiche 
Prinzip in einer etwas gewandelten, dem Art. 21 Abs. 1 sich bereits 
annähernden Gestalt. Es heißt dort, A#KRK II 12 5J43: „Jeder Ein- 
wohner, welcher den nötigen Unterricht für seine Kinder in seinem 
Hause nicht besorgen kann oder will, ist schuldig, dieselben nach zurück-
	        
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