Artikel 21. Die dem Unterrichtszwang unterworfenen Personen. 385
Das annoch geltende Recht des Unterrichtszwanges ist kein für
ganz Preußen einheitliches, kein Gemeines, sondern Provinzialrecht.
Das größte Geltungsgebiet besitzen die hierher gehörigen Bestimmungen
des ALz, von denen die grundlegende, 543 II 12, oben S. 383, 384 wieder-
gegeben ist. Diese landrechtlichen Bestimmungen, §§ 43—46 h. t., sind
durch die KO vom 14. Mai 1825 (GS 149) auf den ganzen damaligen
Umfang des Staatsgebietes ausgedehnt worden. In den neuen Pro-
vinzen sind die zu vorpreußischer Zeit erlassenen Gesetze und Verord-
nungen (hannöversches Gesetz über das Volksschulwesen vom 26. Mai
1845, 5#3—6, schleswig-holsteinische Schulordnung vom 24. August 1814,
& 31, 65, kurhessisches Ausschreiben vom 2. Januar 1818 kurhessische V.
vom 17. Februar 1853, nassauisches Edikt vom 24. März 1817, +F 4;
vgl. v. Bremen, Die preußische Volksschule 87 ff., 588 ff.) in Kraft ge-
blieben; sie stimmen in den grundsätzlichen Dingen unter sich und mit
dem A##s überein, so daß, was das Wesentliche betrifft, auch jetzt schon
der Rechtszustand in Preußen überall der gleiche ist.
Ubereinstimmend gilt insbesondere folgendes.
I. Der Unterrichtszwang ist eine öffentlichrechtliche Verpflichtung
gegenüber dem Staate, deren Inhalt darin besteht, daß die Eltern und
andere Erziehungsberechtigten ihre Kinder oder Pflegebefohlenen während
des „schulpflichtigen Alters“ (s. unten, II) nicht ohne den Unterricht lassen
dürfen, welcher für die öffentlichen Volksschulen vorgeschrieben ist. Die
Verpflichtung trifft unbestrittenermaßen nur diejenigen, welche sich im
Staatsgebiet aufhalten, jedoch, nach herrschender Anschauung der Ver-
waltungs- und Gerichtspraxis (vgl. Loening im Jahrb öff R 3 107 N. 1)
nicht sie alle, sondern nur die preußischen Staatsangehörigen. Diese
Anschauung erblickt in dem Unterrichtszwang eine i. e. S. staatsbürger-
liche Pflicht, welche, verschieden von der Steuerpflicht, den polizei-
lichen Pflichten und andern öffentlichrechtlichen Verbindlichkeiten, nur
den Inländern, nicht den Fremden obliegt. Auf eine ausdrückliche
Gesetzesbestimmung kann man sich hierfür nicht berufen; insbe-
sondere besteht eine Notwendigkeit, im § 43 II 12 ALK — Wortlaut
s. oben S. 383, 384 — den Ausdruck „Einwohner“ eng im Sinne von
„Staatsangehöriger“ zu interpretieren (Loening a. a. O. N. 1), nicht.
Auch prinzipielle Erwägungen zwingen nicht zu einer Beschränkung
der Unterrichtspflicht auf die Staatsangehörigen und ihrer Kinder
lgute Ausführungen hierüber in der oben 376 zitierten Schrift von
Max Müller, 207 ff.); vielmehr läßt sich mit gutem Grunde geltend-
machen, daß nicht nur die Straf= und Polizeigesetze, sondern auch solche
Gesetze, welche, wie diejenigen über Schule und Unterricht, in der
Anschütz, Preuß. Verfassungs-Urkunde. I. Band. 25