Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 21. Schulversäumnisstrafen. 389 
. ceèrforderlichenfalles durch Zwangsmittel und Bestrafung der nach- 
lässigen Eltern zur Besuchung der Lehrstunden angehalten werden.“ 
Früher hielt man es vielfach für zulässig, die zur Ausführung dieses 
§*48 erforderlichen allgemeinen Strafvorschriften im Wege der Polizei- 
verordnung (G. über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 und 
LVG Fs 137 ff.) zu erlassen. Durch die neuere Judikatur des KS 
(Entsch. vom 7. Jan. 1895, Z1V 721, 4. April 1901, KGIJ 22 74) und 
des OVG (OV 7 215ff.), welche die Ansicht zur Geltung brachte, daß 
die Ordnung des Unterrichtswesens und der Schutz dieser Ordnung nicht 
Sache der Polizei sei, wurde die Verwaltungspraxis jedoch genötigt, 
jenen Standpunkt aufzugeben (vgl. Min Erl vom 11. Juli 1895, Zu V 721) 
und für den Erlaß von Strafverordnungen gegen Schulversäumnisse eine 
andere gesetzliche Grundlage zu suchen. Man fand diese Grundlage in 
dem §& 11 Abs. 2 der Regierungsinstruktion vom 23. Oktober 1817, wonach 
die Bezirksregierungen in Fällen, wo „das Verbot an sich schon durch 
ein Gesetz feststeht, in letzterem aber die Strafe nicht ausdrücklich be- 
stimmt ist“ die Strafe innerhalb gewisser Schranken (AL#K II 20 5§5 33, 
35, 240) durch allgemeine Vorschrift bestimmen und bekannt machen 
dürfen. Auf Grund dieses § 11 der Regierungsinstruktion sind die 
früheren, von der Rechtsprechung, wie erwähnt, beanstandeten Polizei- 
verordnungen durch Verordnungen der Bezirksregierungen, Abteilungen 
für Kirchen- und Schulwesen, in Berlin des Provinzialschulkollegiums der 
Provinz Brandenburg (dem die Berliner Volksschulen unterstellt sind) 
ersetzt worden (vgl. den zitierten Min Erl vom 11. Juli 1895, ferner OVG 
34 234 f., KG vom 12. Januar 1911, Selbstv. 38 114). 
Für die Provinz Hessen-Nassau ist den Bezirksregierungen das 
Recht, wegen der Schulversäumnisse schulpflichtiger Kinder gegen die- 
jenigen, welchen die Sorge für die Person des Kindes obliegt, im Wege 
der Verordnung Strafvorschriften zu erlassen, durch besondere Gesetze 
ausdrücklich beigelegt worden: Gesetz vom 1. August 1909, GS 734 (für 
das ehemalige Herzogtum Nassau, die vormals großherzoglich-hessischen 
Gebietsteile und die vormalige Landgrafschaft Hessen-Homburg); Gesetz 
vom 7. August 1911, GS#205 (für das ehemalige Kurfürstentum Hessen 
und die ehemals bayerischen Gebietsteile). 
Solchergestalt ist die Schulversäumnis ein überall in Preußen durch 
Gesetz oder Verordnung mit Kriminalstrafe bedrohtes Delikt. Der Un- 
gehorsam gegen diese Gesetze und Verordnungen kann nach herrschender 
Meinung (Belege bei v. Brauchitsch, Verwaltungsgesetze 1, zu LVG FK 132 
N. 263) nicht durch Androhung und Festsetzung von Exekutivstrafen, 
wohl aber durch unmittelbaren Zwang gegen die Person (LVG § 132
	        
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