Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

398 Artikel 22 als Richtschnur der Gesetzgebung. 
ja, war nur GewO g 36, wenn nein, weder der § 35 noch die KO von 
1834 bzw die ihr entsprechenden Normen des hannöverschen Provinzial- 
rechts (der Fall ereignete sich in Hannover) anzuwenden; Befähigungsnach- 
weis und Erlaubnisschein durften also von dem Betreffenden in keinem 
Falle verlangt werden. Anders die vom O gebilligte Verwaltungs- 
praxis (Näheres über letztere in der Schrift von J. Smith, Ein Kampf 
um die rechtliche Stellung des Turnunterricht [Hadersleben, Selbstver- 
lag, 1909). 
3. Art. 22 als Richtschnur der Gesetzgebung. — Der Arrtikel 
will, wie Wortlaut und Entstehungsgeschichte lehren (vgl. die oben S. 391 
wiedergegebene, den „Erläuterungen“ entnommene Bemerkung über die 
St Min Instr von 1839), die Unterrichtsfreiheit dem geltenden Recht 
gegenüber erweitern. 
Die Erweiterung liegt insbesondere darin, daß zur Begründung 
des Rechts auf Erteilung von Privatunterricht bzw. auf Errichtung und 
Leitung von Privatschulen der Befähigungsnachweis zwar erforder- 
lich, aber auch ausreichend sein soll, während nach dem geltenden 
Recht der Befähigungsnachweis gleichfalls erforderlich, aber nicht aus- 
reichend ist, indem nicht die Tatsache des gelieferten Nachweises, sondern 
die auf Grund dieser Tatsache erteilte „Erlaubnis“ das Recht zum 
Unterricht entstehen läßt, der Nachweis mithin nur eine Voraussetzung 
bildet, unter der die Erlaubnis erteilt werden darf (nicht muß, vgl. 
oben S. 395). Der Unterschied zwischen dem geltenden und dem zu- 
künftigen Recht besteht also darin, daß ersteres auf einer Verbindung 
von Approbations- und Konzessionsprinzip beruht, während letztere# 
nur die Approbation beibehält, die Konzession aber fallen läßt. Das 
zukünftige Gesetz über den Privatunterricht wird sich mit dem Nachweiz 
der „sittlichen, wissenschaftlichen und technischen Befähigung", unter 
näherer Festsetzung der nach diesen drei Richtungen hin zu erhebenden 
Anforderungen zu begnügen haben, so zwar, daß es „jedem“, dessen 
Befähigung von der „betreffenden Staatsbehörde“" geprüft und bejaht 
worden ist, „freisteht“", die private Lehrtätigkeit auszuüben, ohne daß 
er noch einer besonderen administrativen Erlaubnis (Konzession, Ge- 
nehmigung) bedarf. 
Unverträglich mit dem System des Art. 22 ist auch die dem 
geltenden Recht eigentümliche diskretionäre Widerruflichkeit der Zu- 
lassung zum Privatunterricht loben S. 395). Denn die Zulassung 
hat nach dem Artikel nicht die Natur einer Konzession, sondern einer 
Approbation, d. h. einer amtlichen Bescheinigung vorhandener Tatsachen 
und Fähigkeiten; — eine solche Bescheinigung kann aber ihrem Wesen
	        
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