Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 23. Entstehungsgeschichte. Die „Erläuterungen“. 401 
so wird man e contrario schließen dürfen, nicht verboten, sondern er- 
laubt sein. 
Art. 20 oktr V bestimmt: 
„Die öffentlichen Volksschulen, sowie alle übrigen Erziehungs- 
und Unterrichtsanstalten, stehen unter der Aufsicht eigener, vom 
Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer haben die 
Rechte der Staatsdiener.“ 
Die Wichtigkeit und Tragweite dieses Artikels, insbesondere seines 
ersten Satzes, wird in den amtlichen „Erläuterungen“ (S. 25—29) nach- 
drücklichst hervorgehoben: „Das Oberaufsichtsrecht über die Schule ge- 
bührt ohne alle Einschränkung dem Staate.“ „Das Oberaussichtsrecht 
über das Unterrichts- und Erziehungswesen ist als ein Grundrecht des 
Staates in der Verfassung deutlich zu gewährleisten.“ Die reine Staat- 
lichkeit der Schulaufsicht, so führen die „Erläuterungen“ weiter aus, 
sei auch in Preußen immer schon Rechtens gewesen; eine kirchliche 
Aufsicht über die Schule habe, abgesehen vom Religionsunterricht, 
gesetzlich nie bestanden. Denke man an die Aufsicht und das in ihr 
liegende Bestimmungsrecht des Staates über die Schule, so sei die 
Schule, insoweit als Staatsanstalt zu bezeichnen, wie denn auch das 
ALARII 12 §5 1 (vgl. oben 365, unten 413) von den Schulen als von „Ver- 
anstaltungen des Staates“ rede und die Reg.-Instr. vom 23. Ok- 
tober 1817, § 18 litt, e den Bezirksregierungen die „Aufsicht und Ver- 
waltung des gesamten Elementarschulwesens“ übertrage. Gleichwohl 
habe man die Frage, wessen „Anstalt“ die Schule sei, im Verfassungs- 
text nicht ausdrücklich und einseitig entscheiden wollen: „In Anerkennung, 
daß die Volksschule zunächst nur eine Fortsetzung oder Ergänzung der 
Familientätigkeit für die Erziehung und Bildung des heranwachsenden 
Geschlechts sei, insofern zur Pflege und Ausbildung aller in der Familie 
berechtigten Elemente verpflichtet und daher nicht als ausschließliches 
und einseitiges Eigentum des Staates oder der Gemeinde oder der 
Kirche anzusehen sei, ist deshalb eine nicht zutreffende und ausreichende 
Definition der Volksschule als Staats- oder Gemeinde= oder kirchliche 
Anstalt vermieden worden“ (Erläuterungen S. 17). 
Bei der Revision des Art. 20 oktr V in der I. K. beantragte der 
Zaussch (I. K. 1048, 1049) unveränderte Annahme des ersten, aber 
Streichung des zweiten Satzes. In dem Streite zwischen Staat und 
Kirche um die Herrschaft über die Schule steht der Bericht des Zaussch 
wie die vorhergehenden Entwürfe, die oktrV und die „Erläuterungen“ 
ganz auf seiten des Staates, die Kirche habe auf dem Gebiete des 
Unterrichtswesens nur die aus Art. 12 und 21 oktrV (= Art. 15 und 24 
Anschütz Preuß. Berfafsungs-Urkunde. I. Band. 26
	        
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