Artikel 23. Begriff und Inhalt der Schulaufsicht. 417
von 1808 „besondere Bestimmungen vorbehält, war als eine zum Teil mit
kommunalen Vertretern zu besetzende Staatsbehörde gedacht (vgl. unten
S. 157 ff.). Die „vorbehaltenen Bestimmungen" sind — als Gesetz — nie-
mals ergangen. Die Ubertragung von staatlichen Schulaufsichts- und inne-
ren Schulverwaltungsbefugnissen an die städtischen Schuldeputationen durch
die Instruktion vom 26. Juni 1811 (v. Bremen, Volksschule 517 f.) und durch
neuere Ministerialerlasse (bedeutsam insbesondere der vom 9. Febr. 1898,
v. Bremen a. a. O. 522 ff.) beruht auf frei widerruflichen administrativen
Konzessionen, aus denen die Gemeinden keine Rechtsansprüche herleiten
können. Daß das Vll G in die hier erörterte Materie nicht eingegriffen
hat, ist bereits erwähnt (oben S. 407; Näheres hierüber bei v. Bremen,
VlI(G 117, 118, A. Marcks, VU G., Textausgabe mit Anmerkungen 114 f.,
Loening a. a. O. 124 ff., 137).
Gänzlich unbegründet sind auch die Angriffe, welche Rintelen, Die
Volksschule Preußens in ihrem Verhältnisse zu Staat und Kirche (1908)
de lege lata (über seine kirchenpolitischen Anschauungen und die aus
ihnen entspringenden Forderungen an die lex ferenda wollen wir mit
Rintelen nicht streiten) gegen das Prinzip der staatlichen Schulaussicht
richtet, mit dem Ziele, ein eigenes Recht der Kirche an der Schule
nachzuweisen. Dieser Tendenzschrift gegenüber genügt es, auf die oben
S. 399 ff. dargestellte Entstehungsgeschichte des Art. 23 Abs. 1, auf die
weiterhin — S. 404, 405, 415 — mitgeteilten parlamentarischen Verhand-
lungen, besonders die Reden des Ministers v. Ladenberg, auf das Gesetz
vom 11. März 1872 und im übrigen auf die treffliche Widerlegung
Rintelens durch Dirksen, VArch 17 397 f. zu verweisen.
Um die bisherigen Ausführungen zusammenzufassen: der Ausdruck
„Schulaufsicht“ ist eine unzutreffende Bezeichnung für das dem Staate über
die Schule ausschließlich zustehende administrative Bestimmungs-
recht. Dieses Bestimmungsrecht ist keine einheitliche Gewalt, sondern
ein Inbegriff verschiedenartiger, teils i. e. S. aufsichtlicher, teils leitender,
teils unmittelbar verwaltender Funktionen: Befugnisse zur Vornahme
von Maßregeln informativer, kontrollierender, instruierender, organi-
satorischer Natur, zum Erlaß von individuellen und generellen Geboten
und Verboten. Die Rechtsgrundlage dieses weitgreifenden Bestimmungs-
rechts bildet, soweit er nicht durch einzelne Vorschriften neuerer Gesetze
abgeändert worden ist, noch heute § 18 der — im ganzen Staatsge-
biet geltenden — Reg Instr vom 23. Oktober 1817. Die „Schulauf-
sicht" umfaßt insbesondere folgende Einzelfunktionen: 1. die Aufsicht
über das Privatunterrichtswesen; 2. die Aufsicht über die
Verwaltung der äußeren Angelegenheiten der öffentlichen
Anschütz, Preuß. Verfaffungs- Urkunde. I. Band. 27