Artikel 23. Rechtliche Stellung der Vollsschullehrer. 425
Die in allen diesen Außerungen anerkannte Möglichkeit, daß die
Gerichte das neue Gesetz, also nach Befinden auch seinen 81 auf die
Lehrer anwenden werden, ist in der Tat vorhanden. Sie ist eine
rechtliche Möglichkeit. Mag der Justizminister und mit ihm der eine
oder andere Parlamentarier sich die Folge der Streichung jenes § 5
anders, nämlich als Unanwendbarkeit des Gesetzes vom 1. August 1909
auf die Lehrer gedacht haben, so sind doch diese Gedanken für die
Rechtsanwendung nicht bindend, denn sie sind in dem Gesetz nicht zum
Ausdruck gelangt. Das Gesetz enthält keinen Satz des Inhalts: „Dieses
Gesetz findet auf Lehrer und Lehrerinnen der Schulverbände keine An-
wendung.“ Es geht auch nicht an, diesen Satz, als die voluntas legis-
latoris in das Gesetz hineinzuinterpretieren, da seine Geltung als Folge
der Streichung des § 5, wie gezeigt, in beiden Häusern des Landtags
durchaus bestritten war.
Das Ergebnis ist also: in die durch den Wegfall der besonderen
Bestimmung des § 5 des Entwurfs entstandene Gesetzeslücke tritt nicht
das bisherige Recht, sondern der allgemeine Grundsatz des neuen Ge-
setzes: für unmittelbare Staatsbeamte haftet der Staat, für Kommunal-
beamte der Kommunalverband. Der Frage aber, wessen unmittelbarer
Beamter der Lehrer ist, ob des Staates oder der Gemeinde, ist durch
das Gesetz vom 1. August 1909 ebensowenig präjudiziert wie durch
irgend ein früheres Gesetz (s. oben). Sie ist unter Berücksichtigung
aller wesentlichen Verhältnisse und Begleitumstände frei zu prüfen und
danach, bei Streitigkeiten über die Haftpflicht, die Entscheidung zu
treffen. —
Die Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volks-
schulen sind in Preußen unmittelbare Staatsbeamte.
Vorweg ist zu bemerken: die Lehrer können nur entweder Be-
amte des Staates oder ihres Schulverbandes (Gemeinde, Gutsbezirk,
Gesamtschulverband) sein. Tertium non datur. Der Begriff des
„mittelbaren Staatsbeamten schlechthin, der aber auch keines eigenen
Gemeinwesens unmittelbares Organ ist“, ist mit Preuß, Städtische
Schulverwaltung 82, Laband, Pr VBl 31 543, und Struckmann (im
HH, a. a. O. 451, 452) unbedingt abzulehnen. Er ist ein Verlegen-
heitsbehelf, der dadurch nicht überzeugender wirkt, daß er in Kommen-
taren, Gesetzesausgaben und Gerichtsentscheidungen fortdauernd wieder-
holt wird.
Für die Entscheidung der häufig auftretenden Frage (vgl. die
oben S. 322ff. erörterte Stellung der Konsistorialbeamten), welchem
Gemeinwesen — Reich, Einzelstaat, Gemeinde, Kirche — ein Beamter