Artikel 24. Entstehungsgeschichte. 433
ein, und zwar mit folgenden Sätzen (S. 31): „Aus dem Ausdruchk, be-
sorgen“ soll keineswegs einseitig gefolgert werden, daß den Lehrern der
öffentlichen Schulen der Religionsunterricht auch ihrer Konfessionsver-
wandten (sc. von den kirchlichen Organen) ohne weiteres entzogen
werden könnte. Der Staat muß dann, wenn er den Religionsgesell-
schaften die Besorgung oder Organisation und die Beaussich-
tigung des Religionsunterrichts in der öffentlichen Volksschule über-
läßt, auch voraussetzen, daß der . von diesem Lehrer (dem vom
Staate geprüften und von der Gemeinde angestellten Lehrer) erteilte
Religionsunterricht der betreffenden Religionsgesellschaft ge-
nüge.“ Die Bestellung eines besonderen Religionslehrers durch die
„betreffenden Religionsgesellschaften“ könne nur ausnahmsweise, zugunsten
konfessioneller Minoritäten zugestanden werden.
Von einer Uberordnung der Religionsgesellschaften über den Staat,
ja auch nur von einer Gleichordnung mit ihm war also keine Rede;
die Urheber der oktr V, Minister v. Ladenberg und seine Räte, dachten
nicht daran, im Unterrichtswesen, ja auch nur auf dem Gebiete des
öffentlichen schulplanmäßigen Religionsunterrichts dem Koordinations-
prinzip (s. oben bei Art. 15 S. 294, 297, 298) Eingang und Geltung
zu verschaffen. Das dem Staate zustehende Bestimmungerecht über die
Schule (s. bei Art. 23 S. 409ff.) ist nicht durch das der Kirche zu-
gestandene „besorgen und überwachen“, oder, wie der geltende Text sagt,
„leiten“ eingeschränkt, sondern umgekehrt.
Der hiermit bezeichnete Standpunkt: Beibehaltung des Religions-
unterrichts als eines für die Kinder der betreffenden Konfession obli-
gatorischen Lehrgegenstandes der öffentlichen Volksschule, Einfluß der
Kirche auf die Organisation und Erteilung dieses Unterrichts unter
voller Wahrung der Staatshoheit über die Schule — ist auch in den
Revisionsverhandlungen, nicht ohne Anfechtung, aber schließlich mit
vollem parlamentarischen Erfolge behauptet worden.
Der Zussch der I. K. fand, daß Art. 21 oktr L der Gemeinde
(„womit die bürgerliche [politische] gemeint ist“: I. K. 1056 Sp. 1, vol.
auch Sp. 2) zuviel Macht einräume. Nach diesem Artikel und dem
folgenden erscheine die Volksschule gerade zu als „Sache der Gemeinde“.
Keinesfalls könne den Gemeinden, wie es die oktr V wolle, das Recht
der Lehrerernennung zugesprochen werden. „Es ist kaum dafür ein-
zustehen, daß die politischen Gemeinden immer mit gehöriger Sorgfalt
bei der Besetzung verfahren und stets nur nach Verdienst und Be-
fähigung wählen werden, ohne neben dem Bedürfnis der Schule auch
den Punkt der Ausgabe, welcher zunächst auch die Gemeinde trifft,
Anschütz, Preuß. Verfaffungs= Urkunde. 1. Band. 28