Artikel 24. Entstehungsgeschichte. 437
Organe der betreffenden Religionsgesellschaften nehmen mit Rücksicht
darauf (nämlich auf die im vorhergehenden Abs. 1 des Artikels
vorgeschriebene Berücksichtigung der konfessionellen Verhältnisse) an der
örtlichen Leitung der Volksschule teil“ (II. K. 1246ff., 1250 ff..
Hiermit sollte der Kirche ein verfassungsmäßiges Recht auf Teilnahme
an der Leitung nicht sowohl des Religionsunterrichts als des gesamten
Volksschulunterrichts zugesprochen, die von der I. K. und der Regierung
abgelehnte kirchliche Mitaussicht (Antrag Brüggemann; vgl. oben S. 434)
also wiedereingeführt werden (s. die Bemerkung des Kommissionsbericht-
erstatters Keller, II. K. 1243). Dagegen wurde die dritte der Brügge-
mannschen Forderungen: die Mitwirkung der Religionsgesellschaften bei
der Lehrerernennung, auch hier abgelehnt. Abgelehnt wurden außer-
dem u. a.:
ein Antrag Kellner, der den Gemeinden eine Mitwirkung bei
der Verwaltung der inneren Schulangelegenheiten sichern, ferner
ein Antrag v. Kleist-Retzow, welcher die „auf besonderen
Titeln beruhenden Rechte Dritter“ in bezug auf die Lehrerernennung
aufrechterhalten, m. a. W. die gemeinhin unter dem Namen „Schul-
patronat“ zusammengefaßten Vorschlags-, Vokations- usw. Rechte der
Gutsherren unter die Garantie der Verfassung stellen wollte, — ein
Gedanke, den schon der ZAussch der I. K. (I. K. 1057 Sp. 2) kurzer-
hand abgewiesen hatte.
Der übrige Inhalt des Artikels (Leitung der äußeren Schul-
angelegenheiten durch die Gemeinde, Anstellung der Lehrer) wurde
nach den Beschlüssen der andern Kammer, gleichlautend mit dem gelten-
den Text des Artikels, Abs. 3. angenommen.
Aus den Verhandlungen der II. K. ist besonders hervorzuheben,
daß der Unterrichtsminister hier mit gleicher Entschiedenheit für die
ausschließliche Herrschaft des Staates über die Schule eintrat wie in
der I. K. und bei den Verhandlungen über den Art. 23. Sein vor-
tragender Rat, der Abgeordnete Stiehl, stand ihm dabei überall zur
Seite. Einige besonders markante Stellen dieser Reden sind bereits in
anderem Zusammenhange (oben bei Art. 23 S. 404, 405, 415) mitgeteilt.
Von Bedeutung ist namentlich die Rede des Ministers II. K. 1232f ff.
Mit „Befremden“ stellt der Redner hier fest, daß § 1 II 12 MWR
(s. oben S. 365, 413, 414), „ein durchlaufender (d. h. in ganz Preußen
geltender) gesetzlicher Grundsatz“, von den Vertretern der kirchlichen
Herrschaftsansprüche an die Schule ignoriert werde. „Schulen sind
(nach dem ALR) Veranstaltungen des Staates und stehen unter dessen
Aufsicht. Es kann auch nicht anders sein. Der Staat hat das aller-