Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

438 Artikel 24. Berücksichtigung der konfessionellen Verhältnisse. 
größte Interesse an dem Unterricht. Der Unterricht erzieht ihm die 
Nation, und die Nation ist diejenige, die den Staat schützen und tragen 
muß“ (a. a. O. 1233). Vgl. dazu noch die gleichgerichteten Ausführungen 
Stiehls, II. K. 1206ff., 1227ff. 
Eine Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Kammern be- 
stand schließlich mur noch hinsichtlich des zweiten Absatzes des Artikels, dem 
die II. K., wie erwähnt (oben S. 436, 437) die Fassung gegeben hatte: 
„Die Organe der betreffenden Religionsgesellschaften nehmen mit Rücksicht 
darauf an der örtlichen Leitung der Volksschule teil.“ Demgegenüber 
beharrte die I. K. auf ihrem Beschluß, das kirchliche Leitungsrecht auf 
den Religionsunterricht zu beschränken; sie trat dem Antrage ihres 
ZAussch bei, welcher der Fassung der II. K. entgegenhielt: „Sie gibt 
den Religionsgesellschaften die Leitung des Religionsunterrichts nicht 
ganz und gibt ihnen dagegen anscheinend einen Teil an der ganzen 
Regelung des Unterrichts, was in das von der Verfassung angenommene 
System (nämlich der rein staatlichen Schulaufsicht, Art. 23, vgl. oben 
S. 404) nicht paßte“ (I. K. 1959, 1960). Die II. K. gab, auf den 
Antrag ihrer Kommission (die in dieser Streitfrage immer auf seiten 
der I. K. gestanden hatte), nach und erklärte sich mit dem Abs. 2 in 
der Fassung: 
„Den religiösen Unterricht in der Volksschule leiten die be- 
treffenden Religionsgesellschaften“ 
einverstanden, wodurch die Differenz der beiden Kammern beseitigt war. 
2. Die Berücksichtigung der konfessionellen Berhältnisse. — Die 
beiden ersten Absätze des Artikels bezeichnen die Grenzen, innerhalb 
deren bei der Gestaltung des Volksschulwesens den Interessen der 
Kirche verfassungsmäßig Rechnung zu tragen ist. Es sind bei der 
Einrichtung der öffentlichen Volksschulen „die konfessionellen Verhältnisse 
möglichst zu berücksichtigen“ (Abs. 1) und die Leitung des religiösen 
Unterrrichts in der Volksschule soll „den betreffenden Religionsgesell- 
schaften“ zustehen (Abs. 2). 
Zunächst also die durch Abs. 1 gebotene Berücksichtigung der kon- 
fessionellen Verhältnisse. Bei Aufnahme dieses Satzes in den Ver- 
fassungstext ist man, wie die Entstehungsgeschichte zeigt, davon aus- 
gegangen, daß der Religionsunterricht als obligatorischer Lehrgegenstand 
der Volksschule beizubehalten sei und hat man an zweierlei gedacht: 
daran, die Volksschule regelmäßig als Konfessionsschule einzurichten und 
daran, der Kirche einen irgendwie gearteten Einfluß nicht sowohl auf 
den Religionsunterricht als überhaupt auf die (örtliche) Verwaltung 
der inneren Schulangelegenheiten zu verstatten. Von diesen beiden
	        
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