Artikel 24. Konfessionsschule und Simultanschule. 443
Simultansystem besonders begünstigt habe. Von den vorkonstitutionellen
Ministern verhielten sich in dieser Beziehung einigermaßen entgegen-
kommend Altenstein und Eichhorn, von dem konstitutionellen Falk (Näheres
bei v. Bremen, VU G 81 ff.), während unter Raumer (seit 1855) eine schroffe
Rekonfessionalisierung des Schulwesens stattfand, und nach dem Rücktritt
Falks (1879) die Verwaltungspraxis der Begründung neuer Simultan-
schulen andauernd abgeneigt war. So ist es denn nicht verwunderlich daß,
abgesehen von dem ehemaligen Herzogtum Nassau, wo die Simultanschule,
wie bemerkt, gesetzlich notwendig ist, und von Posen und Westpreußen, wo-
sie aus nationalpolitischen Gründen von der Regierung gefördert wurde
und wird, die Simultanschule in Preußen zu den Seltenheiten gehört.
Im Jahre 1903 waren außerhalb der Provinzen Posen und West-
preußen, sowie des ehemals nassauischen Gebietes nur 30 Schulorte
vorhanden, in denen es Schulen gab, an welchen grundsätzlich Lehrer
verschiedener Konfession angestellt wurden, bei rund 25000 Schulorten
und 30000 öffentlichen Volksschulen eine verschwindend geringe Zahl.
Etwa 95% der Schulkinder werden nur von Lehrern ihres Bekennt-
nisses unterrichtet (v. Bremen, VUG 85). —
Das in Art. 24 Abs. 1 aufgestellte Programm ist durch
das VuU# vom 28. Juli 1906 zur Ausführung gebracht. Und.
hierdurch wurde Abs. 1 aktuelles Recht.
Die früheren Versuche, dem Gedanken der „möglichsten Berück-
sichtigung der konfessionellen Verhältnisse die Form des Gesetzes zu geben
schildert v. Bremen a. a. O. 83 f. und Volksschule 9ff. Sämtliche von
1850 —1892 ausgearbeiteten Entwürfe eines Unterrichtsgesetzes (Ent-
würfe der Minister: v. Ladenberg (18501, v. Bethmann Hollweg (1859#,
v. Mühler (18681, Falk (1875—811, v. Goßler (18901, Graf Zedlitz (1892))
befaßten sich mit dieser grundlegenden Frage. Sie alle gingen von
der nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Abs. 1 vollkommen
berechtigten Uberzeugung aus, daß Abs. 1 das System der Konfessions-
schule als Regel hinstelle, welche die Simultanschule allenfalls nur als
Ausnahme gestatte. Insoweit, im Prinzip, war der Gesetzgeber durch
die Verfassung gebunden. Doch bot sich ihm in bezug auf den Um-
fang, in dem er die Ausnahme zulassen wollte, also in der Aus-
legung des Wortes „möglichst“" im Abs. 1, ein weiter Spielraum.
Die genannten Gesetzentwürfe machten von diesem Spielraum einen
sehr verschiedenen Gebrauch. Die Entwürfe Ladenberg und Bethmann
Hollweg wollten Simultanschulen an jedem Schulorte gestatten, „wo
die verschiedenen Konfessionsverwandten es wollen“, während die dieser
Schulart weniger günstigen Entwürfe v. Mühler und Zedlitz sie nur dort