Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 24 Absatz 2. Das geltende Recht. 453 
aufficht muß der Staat sich unter allen Umständen allein vorbehalten 
(so auch Min Erl vom 18. Februar 1876 Nr. 5). 
Daß allen Religionsgesellschaften das gleiche Maß von Einfluß auf 
den religiösen Unterricht eingeräumt werden muß, ist durch Abs. 2 nicht 
gefordert; unser Staatsrecht steht auch hier nicht auf dem Boden un- 
bedingter Parität (oben S. 226 f., 246, 300). 
II. Das geltende Recht. — Nach dem während der Sus- 
pension des Art. 24 Abs. 2 weitergeltenden vorkonstitutionellen Recht 
steht die Leitung des öffentlichen Religionsunterrichts den Religionsgesell- 
schaften nicht zu (Hinschius, Kirchenrecht 4 611 ff., Schoen im VürchP 6 188 
N. 199). Es bewendet vielmehr bei dem allgemeinen Grundsatz (oben 
bei Art. 23 S. 40 ff., 417 ff.), wonach das Bestimmungsrecht in den inneren 
Angelegenheiten der öffentlichen Schulen nach allen Seiten hin aus- 
schließlich dem Staate zusteht. Von diesem Grundsatz ist kein Unter- 
richtsgegenstand ausgenommen, auch nicht der Religionsunterricht. Eine 
Ausnahme wird insbesondere nicht dadurch begründet, daß, wie dies 
zu allen Zeiten vorgekommen sein mag und auch heute noch im Be- 
darfsfalle üblich ist, der Religionsunterricht dem Geistlichen der be- 
treffenden Religionsgesellschaft übertragen wird. Denn die Übertragung 
erfolgt dann nicht an die Kirche als solche, sondern an den Geistlichen 
persönlich. Das Lehramt an der öffentlichen Schule ist ein Staatsamt, 
es wird nicht dadurch zu einem Kirchenamt, daß sein Inhaber ein 
Geistlicher ist, wie ja auch die Schulaufsicht ihren staatlichen Charakter 
dadurch nicht einbüßt, daß ihre Ausübung im Einzelfalle einem Geist- 
lichen übertragen wird. Eine Pflicht der Unterrichtsverwaltung, unter 
bestimmten Voraussetzungen den Geistlichen zum Religionslehrer in der 
Volksschule zu ernennen, besteht nach geltendem Recht nicht. Auch im 
übrigen ist die Verwaltung durch keine Rechtsvorschrift genötigt, eine 
irgendwie geartete Mitwirkung der Kirche bei der Gestaltung des Reli- 
gionsunterrichts (z. B. Bemessung der Stundenzahl, Bestimmungen über 
Lehrpläne und Lehrmittel) eintreten zu lassen. Solange die Sus- 
pension des Abs. 2 andauert, ist die Verwaltung durch ihn rechtlich 
nicht gebunden, ja nicht einmal befugt, ihm gemäß zu verfahren, 
soweit das „geltende Recht“ (Art. 26) dem entgegensteht (s. unten bei 
Art. 26 S. 493). Sie darf das ihr nach dem ALR, der Red Instr von 
1817 § 18 und andern älteren Gesetzen zustehende Bestimmungsrecht 
über die Interna der öffentlichen Schule nicht im Widerspruch mit diesen 
Gesetzen aus der Hand geben (Hinschius, Kirchenrecht 4 611, 612). 
Diese Ansicht ist auch von der Unterrichtsverwaltung selbst stets ver- 
treten worden. So heißt es in dem mehrfach erwähnten Min Erl vom
	        
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