500 Artikel 27. Die Freiheit der Meinungsäußerung.
fassung noch durch mehrere Exemplare vertreten ist: Art. 5, 6, 9, 12,
29, 30, 33. Über das Wesen dieses Typus ist bei der lberschrift des
Titels „von den Rechten der Preußen“ (oben 96ff.) und bei Art. 5,
6, 9 das Erforderliche gesagt worden. Wie seine Seitenstücke, die
genannten Artikel, so hat auch Art. 27 eine objektivrechtliche und eine
subjektivrechtliche Bedeutung. Die objektivrechtliche liegt darin, daß das
Prinzip der gesetzmäßigen Verwaltung als solches (als Grundsatz
des objektiven Rechts) für einen bestimmten Betätigungsspielraum der per-
sönlichen Freiheit — die Freiheit der Meinungsäußerung — staatsgrund-
gesetzlich festgelegt wird (oben 97 ff., 134, 144, 156 ff.). Wie Art. 5 die
persönliche Freiheit im allgemeinen, Art. 6 die Freiheit der Wohnung,
Art. 9 die des Eigentums, Art. 12 die des Glaubens und der Religions=
übung, so stellt Art. 27 die Freiheit der Meinungsäußerung unter den
Vorbehalt des Gesetzes (vgl. auch die Entstehungsgeschichte des Artikels.
oben 498), in der Absicht und mit der Wirkung, hiermit jeden Eingriff
der öffentlichen Gewalt zu verbieten, welcher nicht in einem Gesetz
seine Grundlage und Ermächtigung findet. Die subjektivrechtliche Be-
deutung ist darin zu erblicken, daß dieser wie jene anderen Verfassungs-
artikel ein Anspruch, ein subjektives öffentliches Recht begründet auf
Unterlassung aller in das betreffende Freiheitsgebiet ohne gesetzliche Er-
mächtigung eingreifenden Verwaltungsakte. Die Freiheit der Meinungs-
äußerung ist also ein subjektives Recht; sie ist es in demselben Sinne
wie die Wohnungs-, Eigentums-, Glaubens-, Vereinigungsfreiheit: ein
negatorischer Anspruch auf Unterlassung ungesetzlicher Eingriffe. Und auch
darin steht Art. 27 den anderen Artikeln gleich, als das von ihm ge-
nannte und garantierte Freiheitsrecht auch dann bestehen würde, wenn
der Artikel nicht existierte. Wäre letzteres der Fall, so würde die
Freiheit der Meinungsäußerung zu den „unerwähnten“ Freiheitsrechten
(ugl. oben 96, 97) gehören; — sie würde anzuerkennen sein als An-
wendungsfall der allgemeinen Regel, wonach jedermann tun darf, was
kein Gesetz ihm verbietet.
Der zuletzt berührte Gesichtspunkt gibt zugleich eine Antwort auf
die Frage, inwieweit die Freiheit der Meinungsaußerung auch denen
zusteht, denen sie nach dem Wortlaut des Artikels nicht gewährleistet zu
sein scheint: den Ausländern. Diese Frage ist nicht anders zu entscheiden
wie in Betreff der sonstigen Rechte „der Preußen"“ (vgl. oben 100 ff., 188),
d. h. im Sinne der grundsätzlichen Gleichberechtigung der Ausländer.
Der Ausländer genießt die bürgerlichen Rechte, also auch die zu ihnen
gehörigen Grund= und Freiheitsrechte in demselben Ausmaß wie der
Inländer. Wollte man selbst annehmen, daß Art. 27 die Freiheit der