Artikel 27. Die Freiheit der Meinungsäußerung. 501
Meinungsäußerung nur den Staatsbürgern verbrieft (die Fassung des
Artikels in der Reg Vorl, § 14 daselbst — oben 197, 498 — weiß von
solcher Beschränkung nichts), so müßte doch gefolgert werden: die In-
länder haben jene Freiheit, weil Art. 27 sie ihnen gibt, die Ausländer,
weil der Artikel sie ihnen nicht nimmt (aM Zorn, vRZ#. 2 252). Von
entscheidender Bedeutung aber ist, daß die Gesetze, welche in Ausführung
des Art. 27 die Meinungsfreiheit im öffentlichen Interesse beschränken,
daß das preußische Preßgesetz vom 12. Mai 1851 und das Reichs-Preß-
gesetz vom 7. Mai 1874 eine Disparität zwischen In= und Ausländern
nicht kennen (dies gesteht auch Zorn a. a. O. zu).
Daraus, daß das Prinzip der gesetzmäßigen Verwaltung nicht nur
die in der Verfassung zu „Grundrechten“ erklärten und damit aus-
drücklich verbrieften, sondern auch alle anderen Betätigungsmöglichkeiten
der persönlichen Freiheit schützt, ergibt sich ferner, daß die im Art. 27
nicht ausdrücklich hervorgehobenen Arten und Formen der Meinungs-
äußerung durch diese Ubergehung nicht negiert, sondern vielmehr an-
ertannt sind. Art. 27 Abs. 1 zählt die möglichen Arten und Formen
der Meinungsäußerung nicht erschöpfend auf (zustimmend O# 24314);
daraus folgt aber nicht, daß die nichterwähnten Tätigkeiten in den
Bereich des Verbotenen verwiesen oder der Willkür der Verwaltung
ausgeliefert sind. Sie sind vielmehr an sich ebenso erlaubt und dem
Vorbehalt des Gesetzes unterstellt wie die Außerungsformen, welche der
Wortlaut ausdrücklich neunt: Wort, Schrift, Druck, bildliche Darstellung.
Erlaubt also und nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes ver-
bietbar ist die Meinungsaußerung z. B. durch Gebärden (Taubstummen-
sprache!) und durch schlüssige Handlungen. Die Polizei insbesondere
hat solchen im Art. 27 unerwähnt gebliebenen Außerungsformen gegen-
über keine stärkeren Verbotsrechte wie gegenüber der Gedankenmitteilung
durch Wort, Schrift, Druck oder Bild. "
Dieser Gesichtspunkt kommt insbesondere auch allen „Demon-
strationen“ — politischen und nichtpolitischen — zugute. Denn De-
monstration ist Meinungsäußerung durch schlüssige Handlungen, z. B.
durch Versammlungen oder Umzüge unter Beobachtung eines be-
stimmten, den Zweck kennzeichnenden Verhaltens, durch Zeigen oder
Tragen gewisser Abzeichen, Symbole, Farben. In den Fällen OVG
21 400 ff. (Entrollen einer roten Fahne in einer sozialdemokratischen
Versammlung), 41 132 ff. (Bemalung eines Scheunentors mit rot-
weißen Streifen, den dänischen Nationalfarben), ferner in der Ent-
scheidung des OVG vom 23. Juni 1908, Selbstv. 1909 725ff. (De-
korierung eines Hauses mit Stoff in den polnischen Farben), handelte