32 Bedeutung der Berliner Märzrevolution.
Bescheide an eine von rheinischen Städten entsandte Deputation vom
28. März (Min Bl a. a. O. 85), welcher die Reihe der „Märzverheißungen“
abschließt, nochmals wiederholt.
Uberblickt man diesen ganzen Verlauf, so ergibt sich: der über-
gang zum Konstitutionalismus war beschlossene Sache, bevor — am
Nachmittag des 18. März, nach Bekanntgabe der Proklamation vom
selben Tage — die Straßenkämpfe in der nächsien Umgebung des
Berliner Schlosses ausbrachen. Der Übergang zum Konstitutionalismus
war nicht ein notgedrungenes Zugeständnis an die Revolution, sondern
eine frei erwogene Maßregel im Dienste eines höheren Zweckes, des
höchsten, den die preußische Politik sich setzen konnte: der Einigung
Deutschlands unter Preußens Führung. Nicht Furcht vor der Revolution,
noch Entsetzen über das Blutvergießen der Barrikadenkämpfe, sondern
politischer Ehrgeiz, das Bewußtsein von dem deutschen Beruf Preußens
ist das Motiv des Königs gewesen, welches ihn die tiefgewurzelte Ab-
neigung gegen das konstitutionelle System im Interesse jenes größeren
Zweckes hat überwinden lassen. Mit dem allen ist natürlich nicht be-
hauptet, daß der Berliner Märzaufstand für den großen Wandel der
Staatsform bedeutungslos gewesen sei. Die verfassungsgeschichtliche
Bedeutung dieser Volkserhebung besteht darin, daß sie die Lenker des
preußischen Staates hart gemahnt hat, das, was sie schon vorher, ohne
Zwang, beschlossen hatten, nun auch auszuführen und schnell aus-
zuführen. Der Märzaufstand hat das Ende des Absolutismus nicht
veranlaßt, aber ganz sicher beschleunigt. Wer weiß, wie viel Zeit
jener Schwachwillige, der Preußens Krone trug, sich gelassen hätte, um
das zu gewähren, was er versprochen, wenn ihm nicht der Aufstand
ein drohendes Memento zugerufen hätte! Und so fordert die geschichtliche
Gerechtigkeit, daß, wenn man der treibenden Kräfte gedenkt, die dem
Konstitutionalismus in Preußen die Bahn bereitet haben, man die
Berliner Barrikadenstreiter nicht vergißt. Auch sie kämpften und starben
für das Vaterland. —
Wie ist nun, im Vollzuge der Märzverheißungen, das Fundamental-
gesetz, auf welches die neue konstitutionelle Ordnung sich gründen sollte,
wie ist die preußische Verfassungsurkunde entstanden?
Zunächst ist hier Stellung zu nehmen zu der Frage, ob die
leitenden Kreise gleich von Anfang an, sobald sie sich von dem
Absolutismus losgesagt, eine solche Urkunde, eine Kodifikation der
obersten Grundsätze des neuen Staatsrechtes in Aussicht genommen
haben? Bergengrün, Hansemann 428ff., Seitz, Entstehung u. Entwicklung
der preuß. Vll 6 ff., 177, auch wohl Hintze, Preuß. Jahrb. 144 392