Artikel 27. Freiheit der Meinungsäußerung außerhalb der Preßfreiheit. 507
KO vom 23. Januar 1897 betreffend Bestimmungen über literarische
Veröffentlichungen von Offizieren und Militärbeamten, Preußisches
Armee Vl 36), wobei es sich von selbst versteht, daß Verstöße gegen
solche Vorschriften immer nur Verantwortlichkeiten interner, dienstrecht-
licher Natur, also gegebenenfalls disziplinarische (nicht kriminelle) Be-
strafung nach sich ziehen können (richtig v. Liszt a. a. O. 23). Vsgl.
auch unten bei Art. 28 S. 513. Daß, abgesehen vom Preßgesetz, auch
die Art. 27, 28 die hier erörterten besonderen Pflicht= und Gehorsams-
verhältnisse nicht einschränken, ist insbesondere in der Rechtsprechung
der Disziplinargerichte allgemein anerkannt: vgl. vRRZ 1 460, v. Rhein-
baben, preußische Disziplinargesetze 64, 65, Perels und Spilling, Reichsbe-
amtengesetz 39, Arndt, Komm. 142. Von grundlegender Bedeutung insbe-
sondere OVG 14 404 ff. und 55 467ff. Zweifelnd nur Schwartz, Komm. 107.
4. Die Freiheit der Meinungsäußerung außerhalb der Preßfrei-
heit begreift in sich die ungehinderte Möglichkeit, Gedanken anders als durch
Herstellung und Verbreitung von Preßerzeugnissen kundzutun, also z. B.
durch das Mittel der Rede, durch nicht unter das Preßgesetz (§ 2) fallende
bildliche Darstellungen, durch Gebärden oder konkludentes Verhalten.
Gemeinsam ist diesen Tätigkeiten, daß das Preßgesetz auf sie keine
Anwendung findet, und daß deshalb und weil es an einem dem Preß-
gesetz analogen Sondergesetz über die Freiheit der Rede usw. fehlt,
ihnen gegenüber präventiv wirkende Verwaltungsakte nicht grundsätzlich
verboten und die allgemeinen Befugnisse der Polizei (A# # 10 1II 17)
nicht aufgehoben sind. Denn auch für die hier erörterten Betätigungs-
möglichkeiten der persönlichen Freiheit gilt, wie für alle andern, der
oben bei Art. 5, 6, 9 (vgl. oben 140, 146, 162) besprochene Grundsatz
der Gleichwertigkeit des § 10 II 17 A#em mit den konstitutionellen Spezial-
gesetzen, welche Eingriffe in die Freiheit des Individuums gestatten;
auch jener § 10 ist „Gesetz“ im Sinne des Prinzips der gesetzmäßigen
Verwaltung. Die auf den § 10 sich stützende Polizeigewalt kann, zum
Schutze der ihr anvertrauten öffentlichen Sicherheit und Ordnung, auch
in die grundrechtlich gewährleisteten „Freiheiten“ eingreifen, soweit sie
nicht durch besondere Gesetze, wie durch das Preßgesetz (oben 505), das
RV (unten 509, 523, 524), ausgeschaltet ist. In Ermangelung einer
solchen Ausschaltung können mithin außerhalb des Herrschaftsbereichs
des Preßgesetzes und RVG (unten 508ff.) liegende Meinungsäußerungen
Gegenstand administrativer Beschränkung sein:
1. soweit besondere Gesetze hierzu ermächtigen (ein Beispiel bietet
der Fall O 37 430 ff.: Verbot von Vorträgen religiösen Inhalts auf
Grund des Jesuitengesetzes vom 4. Juli 1872);