528 Artikel 29, 30. Die Versammlungsfreiheit nach dem RV.
Versammlung kann eine nichtöffentliche sein und umgekehrt), sondern
der Kreis der Teilnehmer: eine öffentliche Versammlung ist eine
solche, zu der — tatsächlich, wenngleich nicht rechtlich — jedermann,
und nicht nur, wie bei den nichtöffentlichen Versammlungen, ein
individuell begrenzter Personenkreis Zutritt hat. Vereinsversammlungen
sind an sich nichtöffentliche Versammlungen, sie können aber zu öffent-
lichen Versammlungen werden, wenn die Vereinsmitgliedschaft und
damit das Recht auf Teilnahme an der Versammlung so leicht er-
worben werden kann (etwa durch Zahlung eines geringen Eintritts-
geldes am Eingang des Versammlungsraums), daß dies der Zulassung
eines jeden, welcher die Versammlung besuchen will, faktisch gleich-
kommt (so die Praxis, vgl. Friedenthal 40, Stier-Somlo 107).
Von den in Rede stehenden Beschränkungen gelten einige für
alle öffentlichen Versammlungen, andere nur für bestimmte Kategorien.
Für alle: das Verbot des Waffentragens (F11 RVG) und das Gebot
der Verhandlung in deutscher Sprache (75 12 Abs. 1, vorgeschriebene
Ausnahmen: daselbst Abs. 2, 3 Satz 2; zugelassene Ausnahmen: daselbst
Abs. 3 Satz 1, Abs. 4). Andere Vorschriften beziehen sich nur auf
öffentliche politische Versammlungen (1), oder nur auf öffentliche
Versammlungen unter freiem Himmel (II), oder nur auf Ver-
sammlungen, welche einer Anzeige (Bekanntmachung) oder
Genehmigung bedürfen (III).
I. Offentliche Versammlungen zur Erörterung politischer Angelegen-
heiten (politische Versammlungen, daselbst §& 5) sind der Polizei-
behörde anzuzeigen. Anzeigepflichtig ist der Veranstalter. Die Anzeige ist
mindestens 24 Stunden zuvor unter Angabe des Ortes und der Zeit zu
erstatten. Der Anzeigende hat ein (im Verwaltungsstreitverfahren ver-
folgbares) Recht auf sofortige kostenfreie Erteilung einer Bescheinigung
über die Anzeige. Die Anzeige kann ersetzt werden durch Bekannt-
machung nach Maßgabe der hierüber zu erlassenden Vorschriften der
Landeszentralbehörde (§6 Abs. 1, dazu für Preußen V. des Ministers
des Innern vom 8. Mai 1908, Min Bl d inn V 1909, 11 ff.: die
Bekanntmachung muß entweder durch Ankündigung in einer der min-
destens zwei Zeitungen, welche für jede Gemeinde von dem Land-
rat bzw. der Ortspolizeibehörde allgemein zu bezeichnen sind, — oder
durch Anschlag erfolgen).
Politische Versammlungen sind Versammlungen, in denen „po-
litische Angelegenheiten“ „erörtert“ werden sollen (§ 5). Po-
litische Angelegenheiten (ein engerer Begriff als der der „öffentlichen
Angelegenheiten“ nach § 1, 2 des vormaligen Pr W, vgl. oben 516