Artikel 31. Der Artikel und die Reichsgesetzgebung. 537
der Verleihung der Rechtsfähigkeit, so etwa, daß Vereine und Gesell-
schaften unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf die
Verleihung haben sollten (vgl. oben 534, v. Ammon). Diese — bei
den Verhandlungen über Art. 31 allgemein für sehr schwierig ge-
haltene — Aufgabe ist von der preußischen Legislative niemals gelöst
worden, weshalb es insolange bei dem oben geschilderten älteren Recht
verblieb (vgl. auch OVG 7 30, 31; Schwartz, Komm. 110).
3. Art. 31 und die Reichsgesetzgebung. — Erst die Reichsgesetz-
gebung, und zwar das BG, hat das durch Art. 31 gegebene Ver-
sprechen einer umfassenden Regelung des Erwerbs der „Korporations-
rechte“ eingelöst. Während der erste Entwurf des BGB angesichts der
engen Berührung der Materie mit dem öffentlichen Recht ihre reichs-
rechtliche Normierung für untunlich erachtete und sie völlig der Landes-
gesetzgebung überlassen wollte, entschied sich der zweite Entwurf im
entgegengesetzten Sinne. Ihm folgend enthält das BGB, 5§5 21—88,
eine eingehende Regelung des Rechts und insbesondere auch der Ent-
stehung der juristischen Personen des Privatrechts (rechtsfähige Vereine,
Stiftungen), während die des öffentlichen Rechts (der Staat, die Ge-
meinden, Körperschaften, Stiftungen, Anstalten des öffentlichen Rechts)
nur in zwei Einzelpunkten von der Kodifikation erfaßt (BGB F 89),
im übrigen aber unberührt gelassen werden.
Als juristische Personen des Privatrechts kennt das BGB nur
rechtsfähige Vereine und Stiftungen; jene als Vertreter der körper-
schaftlichen, diese des anstaltlichen Typus der juristischen Person. Das
System der Bestimmungen über den Erwerb der Rechtsfähigkeit ist
abweichend vom Art. 31, welcher, wie oben (536) gezeigt, aus-
schließlich das Verleihungssystem zuläßt, kein einheitliches, sondern ein
dualistisches, „gemischtes“ (Meurer, jurist. Personen nach Reichsrecht 227):
für Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
gerichtet ist, gilt das System der Normativbestimmungen (BGB 821),
dagegen, „in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften“,
für Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
gerichtet ist (§ 22) und für die Stiftungen (§ 80) das Verleihungsprinzip.
Da indessen die meisten und wichtigsten Typen wirtschaftlicher Vereine
(handelsrechtliche Vereinigungen, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossen-
schaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung) Rechtsfähigkeit auf
Grund „besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften“ im Sinne des 922
erlangen und diesen Vorschriften durchweg das System der Normativ-
bestimmungen zugrunde liegt, so gilt dies System tatsächlich auch für
fast alle wirtschaftlichen, nicht nur für die „idealen“ Vereine (§ 21) und