54 Artikel 32. Begriff und Wesen des Petitionsrechts.
gegenseitig, und beide zusammen bedeuten das verfassungsmäßige Verbot
ungesetzlicher Eingriffe in die Freiheit des Gebrauches sämtlicher Mittel
und Behelfe, welche dem Schutze von Rechten oder auch nur faktischen
Interessen dienen.
Dem durch Art. 32 anerkannten Grundrecht wird von einer in
der Literatur sehr verbreiteten Ansicht (ugl. oben 93, 94) die Eigenschaft
eines subjektiven Rechts mit derselben Energie bestritten wie den Grund
rechten überhaupt, wobei auch die bekannten sarkastischen Wendungen
wiederkehren, mit denen man die Meinung derer, die in den Grund-
rechten subjektive Rechte erblicken, ad absurckum zu führen glaubt.
So erklärt Laband, St R 1 305 N. 3, das „Recht zu petitionieren“ für
ein „natürliches Recht“ von ähnlichem Inhalte wie das Recht, Briefe zu
schreiben oder Lieder zu singen. Ebensowenig wollen Seydel, Komm zur
RV 203 und bayer. StR 1 362, Loening, Vlrch 13 11, 12 von einem
Petitions recht etwas wissen, und nach Bornhak, Af öff R 16 406 „scheidet
das Petitionsrecht aus dem Rechtsleben überhaupt aus, es ist die an-
geborene menschliche Fähigkeit, Mitmenschen um etwas bitten zu können,
und steht mit dem Rechte zu schlafen, mit dem sich noch keine juristische
Monographie beschäftigt hat, genau auf derselben Stuse“. Diesen „nega-
tiven Theorien“ (so, im Anschluß an Jellinek, Rosegger, Petitionen,
Bitten und Beschwerden (19081, 10, 14 ff.) stehen „positive“ gegenüber,
welche in dem Petitionsrecht ein wirkliches subjektives Recht, und zwar
einen Anspruch darauf erblicken, daß das angerufene Staatsorgan die
Petition annimmt und vorschriftsmäßig erledigt: so namentlich Meyer-
Anschütz 817, Jellinek, Syst. der subj.-öff. Rechte 131 und Allgem. Staatsl.
774, Arndt, Komm. 159, Rosegger a. a. O. 22ff., 30.
Die negative Auffassung des Petitionsrechts ist, wie die allgemeine
(Gerber-Laband-Seydelsche) Theorie der Grundrechte, auf der sie beruht,
richtig, soweit sie in der Tätigkeit des Bittens bzw. Briefschreibens die
Ausübung nicht eines subjektiven Rechts, sondern der persönlichen Freiheit
sieht, welche letztere, als solche, die Eigenschaft eines subjektiven Rechts
nicht besitzt; sie verkennt aber, daß dieser wie jeder andern Betätigungs-
möglichkeit der persönlichen Freiheit ein subjektives öffentliches Recht
immanent ist: das Recht, bei der Betätigung nur denjenigen Beschrän-
kungen unterworfen zu sein, welche das Gesetz vorschreibt oder zuläßt.
Jedes Stück, jeder Teil der persönlichen Handlungsfreiheit enthält den
Anspruch auf Unterlassung aller in das betreffende Freiheitsgebiet
widerrechtlich eingreifenden Verwaltungsakte. Das Petitionsrecht ist
hiernach zunächst gleichbedeutend mit Petitionsfreiheit und insoweit
den bisher besprochenen verfassungsmäßigen Freiheiten rechtlich ganz