552 Artikel 33. Das Brief= und Telegraphengeheimnis.
gestellt werden, welche Postbeamten bei Verletzung des Briefgeheim-
nisses sich beteiligt haben, und es darf weder dem Gesetz, noch dem
richterlichen Urteil vorgegriffen und irgend ein Schuldiger der Strafe
entzogen werden“ (I. K. 777, übereinstimmend der Bericht der Revssomm,
II. K. 633). Das Telegraphengeheimnis war in Preußen
und im Reiche vor Erlaß des Reichsgesetzes über das Telegraphen-
wesen vom 6. April 1892 (s. oben) nicht gesetzlich, wohl aber durch
Verwaltungsanordnungen, die Reglements über die Benutzung der
Staats- bzw. Reichstelegraphie (Näheres bei Sydow, Artikel Brief-
geheimnis im WSt VR (1. Aufl.] 1 247) geschützt. Die einschlägigen
Bestimmungen dieser Reglements sowie der Art. 33 sind durch
die oben angegebenen reichsgesetzlichen Normen, das Gesetz über
das Postwesen vom 28. Oktober 1871, 8 5 und das Gesetz über das
Telegraphenwesen vom 6. April 1892, 5 8 ersetzt und damit aufgehoben
worden. Das Post- und Telegraphengeheimnis gehört also heute zu
den auf Reichsgesetz beruhenden Grundrechten.
2. Begriff und Wesen des Post= und Telegraphengeheimmisses. —
Mit dem unzureichenden Ausdruck „Briefgeheimnis“, richtiger: Post-
und Telegraphengeheimnis bezeichnet man die der Post- und
Telegraphenverwaltung obliegende Pflicht, über die ihr anvertrauten
Sendungen und Nachrichten keinerlei Mitteilungen zu machen, sowie
auch selbst von diesen Sendungen und Nachrichten nicht weiter Kennt-
nis zu nehmen als für die Beförderung notwendig ist, — eine Pflicht,
auf deren Erfüllung die Beteiligten, Absender und Empfänger, ein
subjektives Recht haben.
Gegenständlich bezieht sich das Post= und Telegraphengeheimnis
a. extensiv auf Postsendungen aller Art, Telegramme und Fern-
gespräche;
b. intensiv nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die bloße
Tatsache der Sendung, — also nicht nur darauf, was, sondern auch
darauf, von wem und an wen geschrieben, verschickt, telegraphiert,
telephoniert worden ist. Diese weitere Auffassung, wonach auch die
Tatsache, daß ein gewisser postalischer Verkehr überhaupt stattgefunden
hat, durch das Geheimnis gedeckt wird, ist für die Telegraphie und
das mit ihr administrativ vereinigte Fernsprechwesen durch die oben 551
wiedergegebene Bestimmung des Telegraphengesetzes vom 6. April 1892,
sl8 Satz 2 augdrücklich festgelegt, gilt aber nach der in der Praxis von
jeher befolgten und auch in der Wissenschaft herrschenden Ansicht (La-
band, St R 3 57, Zorn, StR 2 364, Loening, Verw 606, G. Meyer-
Dochow, VerwR 302, 303, Sydow im WetdR, 1. Aufl., 1 245, 246,