554 Artikel 33. Beschränkungen des Post= und Telegraphengeheimnisses.
stehenden Tatsachen nicht nur fremder, sondern — soweit möglich
(s. oben) — auch der eigenen Kenntnis zu entziehen. 2. Das Post-
und Telegraphengeheimnis geht weiter als das Amtsgeheimnis: es
erstreckt sich nicht mur auf solche Angelegenheiten, „deren Geheimhaltung
ihrer Natur nach erforderlich oder von dem Vorgesetzten vorgeschrieben
ist“ (RBE#N+ 11), sondern, innerhalb seines Begriffes, auf alle An-
gelegenheiten. 3. Es verbietet Mitteilungen nicht nur an Privatpersonen,
sondern auch an Behörden; die vorgesetzte Postbehörde kann die ihr
unterstellten Beamten von der Pflicht zur Wahrung des Geheimnisses
nicht entbinden. 4. Das Amtsgeheimnis ist lediglich eine im öffentlichen
Interesse statuierte Beamtenpflicht, das Post= und Telegraphengeheimnis
dagegen zugleich ein Recht der Beteiligten (der Absender und Empfänger
von Postsendungen).
Die Rechtsfolgen der Verletzung des Post= und Telegraphen-
geheimnisses sind dienstrechtliche, strafrechtliche und zivilrechtliche: die
Verletzung ist als solche zunächst ein Dienstvergehen, welches diszipli-
narische Bestrafung nach sich zieht; einige besonders schwere Fälle der
Verletzung sind als Amtsdelikte mit krimineller Strafe bedroht (StrGB
#§#l 354, 355, 358); der Verletzer ist demjenigen, dem durch die Ver-
letzung ein Schaden entstanden ist, zum Ersatz desselben verpflichtet
(Laband 3 60, 61; Scholz im Wet VR a. a. O. 529ff.).
3. Die Beschränkungen des Post= und Telegraphengeheimmisses. —
Indem Art. 33 Beschränkungen nur zuließ, soweit sie bei strafgericht-
lichen Untersuchungen und in Kriegsfällen notwendig sind, hob er zu-
nächst alle anderen Beschränkungen, welche aus dem älteren Recht etwa
hergeleitet werden konnten, auf und beseitigte damit insbesondere jede
Möglichkeit, Eingriffe in das Briefgeheimnis auf die allgemeinen Be-
sugnisse der Polizei zu stützen. ALR II 17 910 ist damit auf diesem
Gebiete ausgeschaltet.
Von ihrer Zuständigkeit, das Briefgeheimnis „in Kriegsfällen“
einzuschränken, hat die preußische Gesetzgebung keinen Gebrauch ge-
macht. Deshalb und weil es an vorkonstitutionellen Normen emschlägigen
Inhalts fehlte, bestanden solche Beschränkungen während der Geltung
des Art. 33 nicht, und auch die Reichsgesetzgebung hat sie nicht
eingeführt. Das Recht der Staatsregierung — jetzt, nach Art. 68
RV, des Kaisers —, bei erklärtem Kriegszustande gewisse grundrecht-
liche Bestimmungen der Verfassung zum Zwecke der außerordentlichen
Verstärkung der vollziehenden Gewalt zeit= und distriktsweise außer Kraft
zu setzen (Art. 111, vgl. die Bemerkungen zu diesem Artikel), erstreckt
sich wohl auf Art. 6 (Beschlagnahme von Briefen und Papieren,