Artikel 40. Aufhebung des Lehnsverbandes. 587
älteren Lehnrechts, sondern auch, an den Gesetzgeber sich wendend,
den Erlaß neuer Rechtsvorschriften, welche das Verbot zu übertreten
oder zu umgehen gestatten. Ein Gesetz, welches die Begründung eines
— gleichviel wie benannten — mit dem alten Lehnsverhältnis sach-
lich übereinstimmenden Rechtsverhältnisses, also den Erwerb des Unter-
eigentums an einem Gut mit der Verpflichtung zu besonderer Treue
gegen den Obereigentümer, erlaubt, wäre verfassungswidrig. Die
Verfassung, welche mit den Resten der Feudalität aufräumen will,
kann nicht die Möglichkeit des Entstehens eines neuen Feudalismus
irgendwelcher Art gutheißen wollen.
Nach Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 5. Juni 1852 soll der in bezug
auf die vorhandenen Lehen noch bestehende Lehnsverband „durch gesetz-
liche Anordnung aufgelöst werden“. Diese Vorschrift trat an Stelle
der ursprünglichen Fassung des Artikels, Satz 2, welcher die Umgestal-
tung der bestehenden Lehen in freies Eigentum anordnete.
Die ältere wie die neuere Fassung beziehen sich gleichmäßig auf
alle bestehenden Lehen — mit alleiniger Ausnahme der im Artt. 41
bezeichneten —, d. h. auch und besonders auf diejenigen, bei denen
vermöge § 2, Nr. 1 des Gesetzes vom 2. März 1850 (s. unten) oder
der älteren Allodifikationsgesetze ein Lehnsherr nicht mehr vorhanden
ist, der Lehnsverband mithin nur mehr ein Rechtsverhältnis der Mit-
belehnten bzw. der Agnaten ber lehntragenden Familie unter sich be-
deutet (vgl. Bericht des Zaussch I. K. 783, sowie den Ber. der Komm.
der I. K. zum Entwurf des G. vom 5. Juni 1852, Drucks. der I. K.
1851/52 Nr. 213: unter dem „noch bestehenden Lehnsverband“ könne,
nachdem das G. vom 2. März 1850 den lehnsherrlichen Nexus auf-
gehoben, nur allein der agnatische Verband verstanden werden). Beide
Fassungen stimmen ferner darin überein, daß sie den Gesetzgeber zum
Erlaß gewisser Normen verpflichten (wobei natürlich niemand auf die
Erfüllung dieser Pflicht ein Recht hat, vgl. oben 94, 96). Sie unter-
scheiden sich aber in bezug auf den Inhalt der vem Gesetzgeber ge-
stellten Aufgabe. Während die ursprüngliche Fassung nur die Ver-
wandlung der Lehen in freies Eigentum zuließ, gestattet die geltende
neben dieser — fortdauernd anwendbaren — einfachsten und radikalsten
Art der Allodifikation auch noch andere, zu demselben Ziele führende,
aber den Rechten der Mitbelehnten bzw. Agnaten günstigere Rechts-
sormen, wie insbesondere die Umwandlung des Lehens in das nun-
mehr kraft der Verfassungs-Novelle vom 5. Juni 1852 wieder zu-
gelassene Fideikommißverhältnis (vgl. hierzu die Begründung des dem
G. vom 5. Juni 1852 zugrundeliegenden Antrags Geppert, II. K.