618 Zweiter Anhang.
Art. 48. Der König hat das Recht der Begnadigung und der Strafmilderung.
Zu Gunsten eines wegen seiner Amtsführung verurteilten Ministers kann
dies Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer ausgeübt werden, von welcher
die Anklage ausgegangen ist.
Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen
Gesetzes niederschlagen.
Art. 49. Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen, mit
keinen Privilegien versehenen Auszeichnungen zu.
Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes.
Art. 50. Das Gesetz bestimmt die Zivil-Liste für die Dauer jeder Regierung.
Art. 51. Der König beruft die Kammeen und schließt ihre Sitzungen. Er
kann sie entweder beide zugleich oder nur eine auflösen.
In der Auflösungs-Urkunde muß der Tag der neuen Wahlen und der Be-
rufung der Kammern bestimmt und die desfallsige Frist für die ersteren nicht
über 40, für die letztere nicht über 60 Tage ausgedehnt werden.
Art. 52. Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung
darf diese Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während der-
selben Session nicht wiederholt werden.
Titel IV. Von den Ministern.
Art, 53. Die Minister so wie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staats-
beamten haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen gehört
werden.
Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen.
Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimm-
recht, wenn sie Mitglieder derselben sind.
Art. 54. Die Minister können durch Beschiuß einer Kammer wegen des
Verbrechens der Verfassungs-Verletzung, der Bestechung und des Verrats an-
geklagt werden. Hber solche Anklagen entscheidet der oberste Gerichtshof der
Monarchie in vereinigten Senaten; so lange noch zwei oberste Gerichtshöfe be-
stehen, treten dieselben zu obigen Zwecken zusammen.
Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das
Verfahren und das Strafmaß werden einem besonderen Gesetze vorbehalten.
Titel V. Von den Kammern.
Art. 55. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König
und durch zwei Kammern ausgeübt.
Die Ubereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze
erforderlich.
Wird jedoch ein Gesetzes-Vorschlag unverändert von beden Kammern zum
dritten male angenommen, so erhält er durch die dritte Annahme Gesetzeskraft.
Art. 56. Die zweite Kammer besteht aus 350 Mitgliedern. Die Wahl-
bezirke werden nach Maßgabe der Bevölkerung festgestellt.
Art. 57. Jeder Preuße, welcher das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet
und nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richter-
lichen Erkenntnisses verloren hat, ist in der Gemeinde, worin er seit 6 Monaten
seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er
nicht aus öffentlichen Mitteln Armen-Unterstützung bezieht.
Art. 58. Die Urwähler einer jeden Gemeinde wählen auf jede Bolkszahl
von 250 Seelen ihrer Bevölkerung einen Wahlmann.
Art. 59. Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner erwählt. Die
Wahlbezirke sollen so organisiert werden, daß mindestens zwei Abgeordnete von
einem Wahlkörper gewählt werden.