Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Zweiter Anhang. 621 
Art 84. Die Verleihung von Titeln, die nicht unmittelbar mit dem Amte 
verbunden sind, und von Orden, so wie die Zuwendung von Gratifikationen an 
Richter darf nicht stattfinden. 
Art. 85. Es sollen im ganzen Umfange der Monarchie Einzelrichter, Land- 
gerichte und Appellations-Gerichte eingeführt werden. 
Die Organisation wird durch das Gesetz bestimmt, welches gegenwärtiger 
Verfassungs-Urkunde beigefügt ist. 
Art. 86. Niemand darf zu einem Richter-Amte berufen werden, welcher sich 
nicht zu demselben nach näherer Vorschrift der Gesetze befähigt hat. 
Art. 87. Handels- und Gewerbe--Gerichte sollen im Wege der Gesetzgebung 
an den Orten errichtet werden, wo das Bedürfnis solche erfordert. 
Die Einrichtung der zur Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin nor- 
wenagen Militär-Gerichte wird durch das Gesetz bestimmt. 
Die Organisation und Zuständigkeit der Handels-, Gewerbe- und Militär- 
Gerichte, das Verfahren bei denselben, die Ernennung ihrer Mitglieder, die be- 
sonderen Verhältnisse der letzteren und die Dauer ihres Amtes werden durch das 
Gesetz festgestellt. 
Art. 88. Nach Einführung eines gleichförmigen Gerichts-Verfahrens werden 
die noch bestehenden obersten Gerichtshöfe zu einem einzigen vereinigt. 
Art. 89. Alle Funktionen, welche nicht im Rechtsprechen bestehen oder das- 
selbe nicht vorbereiten, sollen von dem Richter-Amte getrennt sein. 
Ausnahmen bestimmt das Gesetz. 
Art. 90. Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht in Zivil- und 
Straf-Sachen sollen öffentlich sein. Die Offentlichkeit kann jedoch durch ein öffent- 
lich zu verkündendes Urteil ausgeschlossen werden, wenn sie der Ordnung oder 
den guten Sitten Gefahr droht. 
In Zivil-Sachen kann die Offentlichkeit auch durch Gesetze beschränkt werden. 
Art. 91. Bei den mit schweren Strafen bedrohten Handlungen (Verbrechen). 
so wie bei politischen und Preßvergehen erfolgt die Entscheidung über die Schuld 
des Angeklagten durch Geschworne. Die Bildung des Geschwornen-Gerichts 
wird durch ein Gesetz geregelt, welches der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde 
beigefügt ist. 
Art. 92. Die Kompetenz der Gerichte und Verwaltungs-Behörden wird 
durch das Gesetz bestimmt. Über Kompetenz-Konflikte zwischen Gerichten und 
den Verwaltungs-Behörden entscheidet ein durch das Gesetz bezeichneter Gerichtshof. 
Art. 93. Es ist keine vorgängige Genehmigung der Behörden nötig, um 
öffentliche Zivil- und Militär-Beamte wegen der durch Uberschreitung ihrer Amts- 
Befugnisse verübten Rechts-Verletzungen gerichtlich zu belangen. 
Titel VII. Von den Staats-Beamten. 
Art. 94. Die besonderen Rechts-Verhältnisse der nicht zum Richterstande 
gehörigen Staats-Beamten, einschließlich der Staats-Anwalte, sollen durch ein 
Gesetz geregelt werden, welches, ohne die Regierung in der Wahl der ausführen- 
den Organe zweckwidrig zu beschränken, den Staats-Beamten gegen willkürliche 
Entziehung von Amt und Einkommen angemessenen Schutz gewahrt. 
Art. 95. Auf die Ansprüche der vor Verkündigung der Verfassungs-Urkunde 
etatsmaßig angestellten Staats-Beamten soll im Staats-Dienergesetz besondere 
Rücksicht genommen werden. 
Titel VIII. Von der Finanz-Verwaltung. 
Art. 96. Alle Einnahmen und Ausgaben des Sltaates müssen für jedes 
Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht werden. 
Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.