Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

622 Zweiter Anhang. 
Art. 97. Steuern und Abgaben für die Staats-Kasse dürfen nur, so weit sie 
in den Staatshaushalts-Eat ausgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet 
sind, erhoben werden. 
Art. 98. In Betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt 
werden. 
Die bestehende Steuer-Gesetzgebung wird einer Revision unterworfen und 
dabei jede Bevorzugung abgeschafft. 
Art. 99. Gebühren können Staats-- oder Kommunal-Beamte nur auf Grund 
des Gesetzes erheben. 
Art. 100. Die Aufnahme von Anleihen für die Staats-Kasse findet nur auf 
Grund eines Gesetzes statt. Dasselbe gilt von der Übernahme von Garanticen 
zu Lasten des Staats. 
Art. 101. Zu Etats-berschreitungen ist die nachträgliche Genehmigung der 
Kammern erforderlich. Die Rechnungen über den Staats-Haushalt werden von 
der Ober-Rechnungskammer geprüft und festgestellt. Die allgemeine Rechnung 
über den Staats-Haushalt jeden Jahres wird von der Ober-Rechnungskammer zur 
Entlastung der Staats-Regierung den Kammern vorgelegt. 
Ein besonderes Gesetz wird die Einrichtung und die Befugnisse der Ober- 
Rechnungskammer bestimmen. 
Titel IX.“') Von den Gemeinden, Kreis= und Bezirks-Berbänden. 
Art. 102. Das Gebiet des preußischen Staates wird in Bezirke, Kreise und 
Gemeinden eingeteilt, deren Grenzen unter Festhaltung folgender Grundsatze 
näher bestimmt werden: 
1) Uber die inneren und besonderen Angelegenheiten der Bezirke, Kreise 
und Gemeinden beschließen aus gewählten Vertretern bestehende Ver- 
sammlungen, deren Beschlüsse durch die Vorsteher der Bezirke, Kreise 
und Gemeinden ausgeführt werden. 
Das Gesetz wird die Falle bestimmen, in welchen die Beschlüsse der 
Gemeinden, Kreise und Bezirke der Genehmigung einer höheren Ver- 
tretung oder der Staats-Regierung unterworfen sind. 
2) Die Vorsteher der Bezirke werden von der Staats-Regierung ernannt, 
die der Kreise werden von den Gemeinden, die der Gemeinden von den 
Gemeinde-Mitgliedern erwahlt. 
Die Organisation der Exekuniv-Gewalt des Staates wird hierdurch nicht 
berührt. 
3) Den Gemeinden insbesondere steht die selbständige Verwaltung ihrer 
Gemeinde-Angelegenheiten zu, mit Einschluß der Orts-Polizei. 
4) Alle selbstständigen Mitglieder einer Gemeinde, welche seit Jahresfrist in 
derselben ihren Wohnsitz haben, zu den Lasten der Gemeinde beitragen 
und sich im Vollgenusse der staatsbürgerlichen Rechte besinden, sind in 
Angelegenheiten der Gemeinde gleichberechtigt und insbesondere zur 
Wahl der Gemeinde--Vertreter berufen. 
Die Bezirks--, Kreis= und Gemeinde-Beratungen sind der Regel nach 
öffentlich. Die Ausnahmen bestimmt das Gesetz. Über die Einnahmen 
und Ausgaben muß mindestens jährlich ein Bericht veröffentlicht werden. 
Allgemceine Bestimmungen. 
Art. 103. Kein Gesetz, keine Verordnung ist verbindlich, wenn sie nicht 
zuvor in der vom Gesetze vorgeschriebenen Form bekannt gemacht sind. 
Art. 104. Ein die Verfassung abänderndes Gesetz muß in jeder Kammer 
durch eine Stimmenmehrheit von mindestens zwei Dritteilen angenommen sein. 
Die Schluß-Besummung des Artikels 55 findet bierauf keine Anwendung. 
S 
— 
*) Redigiert von Bloem.
	        
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