Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

64 Zweiter Anhang. 
Titel II. Von den Rechten der Preußen. 
Art. 3. Die Verfassung und das Gesetz bestimmen, unter welchen Beding- 
ungen die Eigenschaft eines Preußen und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, 
ausgeübt und verloren werden. 
Arr. 4. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standes-Borrechte finden 
nicht statt. Die öffentlichen ÄAmter sind für alle dazu Befähigten gleich zugänglich. 
Art. 5. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und 
Formen, unter welchen eine Verhaftung zulässig ist, sind durch das Gesetz 
zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 24. September laufenden Jahres 
bestimmt 
Art. 6. Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen in dieselbe und 
hussuchungen sind nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gestattet. 
ie Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf, außer bei einer Verhaftung 
oder Haussuchung, nur auf Grund eines richterlichen Befehles vorgenommen 
werden. 
Art. 7. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Aus- 
nahmegerichte und außerordentliche Kommissionen, so weit sie nicht durch diese 
Berfassungs--Urkunde für zulässig erklärt werden, sind unstatthaft. Strafen können 
nur in Gemäßheit des Gesetzes angedroht oder verhängt werden. 
Art. 8. Das Eigentum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des 
öffentlichen Wohles gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vor- 
läufig festzustellende, Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder 
beschränkt werden. 
Art. 9. Der bürgerliche Tod und die Strafe der Vermögenseinziehung 
finden nicht statt. 
Art. 10. Die Freiheit der Auswanderung ist von Staats wegen nicht be- 
schränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. 
Art. 11. Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Reli- 
gions Gesellchaften (Art. 28 und 29) und der gemeinsamen öffentlichen Religions- 
bung wird gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen 
Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse und der Teilnahme an 
irgend einer Religions-Gesellschaft. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflich- 
ten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen. 
Art. 12. Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, so wie jede an- 
dere Religions-Gesellschaft, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig 
und bleibt im Besitz und Genuß der für ihr Kultus-, Unterrichts- und Wohltätig- 
keitszwecke beistmmten Anstalten, Stiftungen und Fonds. 
Art. 13. Der Verkehr der Religions-Gesellschaften mit ihren Oberen ist un- 
gehindert. Die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Be- 
schränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen. 
Art. 14. Uber das Kirchen-Patronat und die Bedingungen, unter welchen 
dasselbe aufzuheben, wird ein besonderes Gesetz ergehen. 
Art. 15. Das dem Staate zustehende Vorschlags-, Wahl= oder Bestätigungs- 
Recht bei Besetzung kirchlicher Stellen ist aufgehoben. 
Art. 16. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung 
vor den dazu bestimmten Zivilstands-Beamten bedingt. Die kirchliche Trauung 
kann nur nach der Vollziehung des Zivil-Aktes stattfinden. 
Art. 17. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei. 
Art. 18. Der preußischen Jugend wird durch genügende öffentliche An- 
stalten das Recht auf allgemeine Volksbildung gewährleistet. 
Eltern und Vormünder sind verpflichtet, ihren Kindern oder Pflegebefohlenen 
den zur allgemeinen Volksbildung erforderlichen Unterricht erteilen zu lassen, und 
müssen sich in dieser Beziehung den Bestimmungen unterwerfen, welche das 
Unterrichtsgesetz aufstellen wird.
	        
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