Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

632 Zweiter Anhang. 
4) Die Beratungen der Provinzial-, Bezirks-, Kreis- und Gemeinde-Ber- 
tretungen sind in der Regel öffentlich. Die Ausnahmen bestimmt das 
Gesetz. Über die Einnahmen und Ausgaben muß jährlich wenigstens ein 
Bericht veröffentlicht werden. 
Allgemeine Bestimmungen. 
Art. 105. Gesetze und Verordnungen sind nur verbindlich, wenn sie zuvor 
in der vom Gesetze vorgeschriebenen Form bekannt gemacht worden sind. 
Wenn die Kammern nicht versammelt sind, können in dringenden Fällen, 
unter Verantwortlichkeit des gesamten Staats-Ministeriums, Verordnungen mit 
Gesetzeskraft erlassen werden, dieselben sind aber den Kammern bei ihrem nächsten. 
Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen. 
Art. 106. Die Verfassung kann auf dem ordentlichen Wege der Gesetz- 
gebung abgeändert werden, wobei in jeder Kammer die gewöhnliche absolute 
Stimmenmehrheit genügt. 
Art. 107. Die Mitglieder der beiden Kammern und alle Staatsbeamten 
haben dem Könige und der Verfassung Treue und Gehorsam zu schwören. 
Art. 108. Die bestehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben, und 
alle Bestimmungen der bestehenden Gesetzbücher, einzelnen Gesetze und Ver- 
ordnungen, welche der gegenwärtigen Verfassung nicht zuwiderlaufen, bleiben in 
Kraft, bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden. 
Art. 109. Alle durch die bestehenden Gesetze angeordneten Behörden bleiben 
bis zur Ausführung der sie betreffenden organischen Gesetze in Tätigkeit. 
Art. 110. Für den Fall eines Krieges oder Aufruhrs können die Artikel 5, 
6, 7, 24, 25, 26, 27 und 28 der Verfassungs-Urkunde zeit= und distriktsweise außer 
Kraft gesetzt werden. Die näheren Bestimmungen darüber bleiben einem be- 
sonderen Gesetze vorbehalten. Bis dahin bewendet es bei den in dieser Beziehung 
bestehenden Vorschriften. 
Übergangs-Bestimmungen. 
Art. 111. Sollten durch die für Deutschland festzustellende Verfassung Ab- 
änderungen des gegenwärtigen Verfassungs-Gesetzes nötig werden, so wird der 
König dieselben anordnen, und diese Anordnungen den Kammern bei ihrer nächsten 
Versammlung mitteilen. 
Die Kammern werden dann Beschluß darüber fassen, ob die vorläufig an- 
“ Abänderungen mit der deutschen Verfassung in Ubereinstimmung 
tehen. 
Art. 112. Die gegenwärtige Verfassung soll sofort nach dem ersten Zusam- 
mentritt der Kammern einer Revision auf dem Wege der Gesetzgebung (Art. 60 
und 106) unterworfen werden. 
Das im Artikel 52 erwähnte eidliche Gelöbnis der Königs, so wie die vor- 
geschriebene Vereidung der beiden Kammern und aller Staats-Beamten, erfolgen 
sogleich nach vollendeter Revision (Artikel 107). 
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem 
Königlichen Insiegel. 
Gegeben Potsdam, den 5. Dezember 1848. 
(L. S.) Friedrich Wilhelm. 
Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Manteuffel. von Strotha. 
Rintelen. von der Heydt.
	        
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