Zweiter Anhang. 635
Die Zensur darf nicht eingeführt werden; jede andere Beschränkung der
Preßfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung.
Art. 28. Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung
begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen.
Art. 29. Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche
Erlaubnis friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln.
Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem
Himmel, welche auch in Bezug auf vorgängige obrigkeitliche Erlaubnis der Ver-
fügung des Gesetzes unterworfen sind.
Artt. 30. Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche
den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen.
Das Gesetz regelt, insbesondere zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
Sicherheit, die Ausübung des in diesem und in dem vorstehenden Artikel (29)
gewährleisteten Rechts.
Politische Vereine können Beschränkungen und vorübergehenden Verboten
im Wege der Gesetzgebung unterworfen werden.
Art. 31. Die Bedingungen, unter welchen Korporationsrechte erteilt oder
verweigert werden, bestimmt das Gesetz.
Art. 32. Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter
einem Gesamtnamen sind nur Behörden und Korporationen gestattet.
Art. 33. Das Briefgeheimnis ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen
Untersuchungen und in Kriegsfällen notwendigen Beschränkungen sind durch die
Gesetzgebung festzustellen.
Art. 34. Alle Preußen sind wehrpflichtig. Den Umfang und die Art dieser
Pflicht bestimmt das Gesetz.
Art. 35. Das Heer begreift alle Abteilungen des stehenden Heeres und der
Landwehr.
Im Falle des Krieges kann der König nach Maßgabe des Gesetzes den Land-
sturm aufbieten.
Art. 36. Die bewaffnete Macht kann zur Unterdrückung innerer Unruhen
und zur Ausführung der Gesetze nur in den vom Gesetze bestimmten Fällen und
Formen und auf Requisition der Zivilbehörde verwendet werden. In letzterer
Beziehung hat das Gesetz die Ausnahmen zu bestimmen.
Art. 37. Der Militärgerichtsstand des Heeres beschränkt sich auf Straf-
sachen und wird durch das Gesetz geregelt. Die Bestimmungen über die Militär-
disziplin im Heere bleiben Gegenstand besonderer Verordnungen.
Art. 38. Die bewaffnete Macht darf weder in noch außer dem Dienste
beratschlagen oder sich anders, als auf Befehl versammeln. Versammlungen und
Vereine der Landwehr zur Beratung militärischer Einrichtungen, Befehle und
Anordnungen sind auch dann, wenn dieselbe nicht zusammenberufen ist, untersagt.
Art. 39. Auf das Heer finden die in den Artikeln 5. 6. 29. 30 und 32
enthaltenen Bestimmungen nur in soweit Anwendung, als die militärischen Ge-
setze und Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen.
Art. 40. Die Errichtung von Lehen und die Stiftung von Kamilien-ider-
kommissen ist untersagt. Die bestehenden Lehen und Familien-Fideikommisse sollen
durch gesetzliche Anordnung in freies Eigentum umgestaltet werden. Auf Fa-
milien-Stiftungen finden diese Bestimmungen keine Anwendung.
Art. 41. Vorstehende Bestimmungen (Artikel 40) finden auf die Thron=
lehen, das Königliche Haus- und Prinzliche Fideikommiß, sowie auf die außerhalb
des Staats belegenen Lehen und die ehemals reichsunmittelbaren Besitzungen
und Fideikommisse, insofern letztere durch das deutsche Bundesrecht gewähr-
leistet sind, zur Zeit keine Anwendung. Die Rechtsverhältnisse derselben sollen
durch besondere Gesetze geordnet werden.