Zweiter Anhang. 643
mehrheit bei zwei Abstimmungen, zwischen welchen ein Zeitraum von wenigstens
ein und zwanzig Tagen liegen muß, genügt.
Art. 108. Die Mitglieder der beiden Kammern und alle Slaatsbeamten
leisten dem Rönige den Eid der Treue und des Gehorsams und beschwören die
gewissenhafte Beobachtung der Verfassung.
Eine Vereidigung des Heeres auf die Verfassung findet nicht statt.
Art. 109. Die bestechenden Steuern und Abgaben werden forterhoben, und
alle Bestimmungen der bestehenden Gesetzbücher, einzelnen Gesetze und Ver-
ordnungen, welche der gegenwärtigen Verfassung nicht zuwiderlaufen, bleiben
in Kraft, bis sic durch ein Gesetz abgeändert werden.
Art. 110. Alle durch die bestehenden Gesetze angeordneten Behörden bleiben
bis zur Ausführung der sie betreffenden organischen Gesetze in Tätigkeit.
Art. 111. Für den Fall eines Krieges oder t Aufruhrs können bei dringender
Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Artikcl 5. 6. 7. 27. 28. 29. 30 und 36
der Verfassungs-Urkunde zeit- und distriktsweise außer Kraft gesetzt werden. Das
Näherc bestimmt das Gesetz.
Übergangs-Bestimmungen.
Art 112. Bis zum Erlaß des im Artikel 26 vorgesehenen Gesetzes bewendet
es hinsichtlich des Schul- und Unterrichtswesens bei den jetzt geltenden gesetz-
lichen Bestimmungen.
Art. 113. Vor der erfolgten Revision des Strafrechts wird über Vergehen,
welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden,
ein besonderes Gesetz ergehen.
Art. 114. Bis zur Emanierung der neuen Gemeindeordnung bleibt es bei
den bisherigen Bestimmungen hinsichtlich der Polizeiverwaltung.
Art. 115. Bis zum Erlasse des im Art. 72 vorgesehenen Wahlgesetzes bleibt
die Verordnung vom 30. Mai 1849, die Wahl der Abgeordneten zur zweiten
Kammer betreffend, in Kraft.
Art. 116. Die noch bestchenden beiden obersten Gerichtshöfe sollen zu einem
Einzigen vereinigt werden. Die Organisation erfolgt durch ein besonderes Gesetz.
Art. 117. Auf die Ansprüche der vor Verkündigung der Verfassungs-Urkunde
etatsmäßig angestellten Staatsbeamten soll im Staatsdienergesetz besondere Rück-
sicht genommen werden.
Art. 118. Sollten durch die für den deutschen Bundesstaat auf Grund des
Entwurfs vom 26. Mai 1849 festzustellende Verfassung Abänderungen der gegen-
wärtigen Verfassung nötig werden, so wird der König dieselben anordnen und
diese Anordnungen den Kammern bei ihrer nächsten Versammlung mitteilen.
Die Kammern werden dann Beschluß darüber fassen, ob die vorläufig an-
geordneten Abandcrungen mit der Verfassung des deutschen Bundesstaats in
libe reinstimmung stehen.
Art. 119. Das im Artikel 54 erwähnte eidliche Gelöbnis des Königs, so wie
die vorgeschriebene Vereidigung der beiden Kammern und aller Staatsbcamten,
ersfolgen sogleich nach der auf dem Wege der Gesetzgebung vollendeten gegen-
wärtigen Revision dieser Verfassung (Artikel 62 und 108).
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedruck-
tem Königlichen Insiegel.
Gegoben Charlottenburg, den 31. Januar 1850.
(L. S.) Friedrich Wilbelm.
Graf v. Brandenburg. v. Ladenberg. v. Manteuffel. v. Strotha.
v. d. Heydt. v. Rabe. Simons. v. Schleinit.
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