Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

48 Kampf zwischen König und Staatsministerium über die Oktroyierung. 
oktroyiert werden sollte: dem inmittelst vom Staatsministerium aufgestellten 
Verfassungsentwurf, der in seiner ziemlich engen Anlehnung an die 
Kommissionsbeschlüsse der Nat Vers ihm, dem Könige, zu freisinnig war. 
Jedenfalls ist von der Wiederaufnahme des Oktroyierungsplanes 
zu Anfang November 1848 bis zu seiner Verwirklichung als dessen Haupt- 
träger, ja Alleinträger das Staatsministerium anzusehen. Die Männer 
der Kamarilla und ihr Anhang, ferner auch Radowitz (val. Meinecke 
a. a. O. 389 N. 2) waren direkt dagegen; was insbesondere L. v. Gerlach 
und Bismarck, die ja früher auch einmal an den Gedanken gerührt 
hatten (oben 45, 46), betrifft, so machte jener jetzt aus seiner Antipathie 
dagegen kein Hehl(Denkwürd. 1 242 ff., 251 ff., 258), während über Bismarcks 
Haltung in der Sache während der entscheidenden Zeit, November 1848, 
nichts bekannt ist (die Vermutung von Seitz a. a. O. 119, 120, der in 
Bismarck einen Hintermann der Oktroyierung erkennen möchte, ist ohne 
Anhalt in den Quellen). Die Minister — ohne daß festzustellen wäre, 
welcher von ihnen hierbei die führende Rolle spielte — haben die 
Oktroyierung in hartem Kampfe gegen König und Kamarilla durchgesetzt. 
Der König hat sich lange gesträubt und ist nur Schritt für Schritt zurück- 
gewichen. Zuerst (16. Nov., v. Gerlach a. a. O. 1242) wollte er nur 
die Auflösung der Nat Vers und, äußerstenfalls die Oktroyierung des 
Wahlgesetzes für eine neu zu berufende zugeben; die Preisgabe des 
Vereinbarungsgedankens aber, „die sofortige Verkündung einer Ver- 
fassung nach der notgedrungenen Auflösung sieht“ — so schrieb er dem 
Ministerpräsidenten Grafen Brandenburg am 23. November (v. Poschinger 
a. a. O. 1 46, 47) — „wie ein eingelerntes Stück (Komödie) aus und 
riecht nach mauvaise foi“. Die Minister gaben aber, nachdem sie 
auf dringendes Verlangen des Königs noch in die Vertagung und Ver- 
legung der Nat Vers nach Brandenburg (vgl. oben 43), also einen Auf- 
schub der Ausführung ihres Planes gewilligt hatten, nicht nach, sie 
haben dem Könige die Zustimmung zur Oktroyierung schließlich, wie 
er nachher sagte, „mit eisernen Krallen aus dem Leibe gerissen“. 
Politisch betrachtet ist also die Verfassung vom 5. Dezember 1848 mehr 
dem Könige als vom Könige oktroyiert worden; Sieger waren wie bei 
den Beratungen über den „Urentwurf“ der Verfassung im Mai 1848 
(oben 40) die Minister, die, wie damals den Entwurf der zu vereinbarenden, 
so jetzt den der zu oktroyierenden Verfassung dem Könige gegenüber mit 
größter Energie verteidigten und sich nur unbedeutende Abänderungen 
ihres Entwurfes gefallen ließen (v. Gerlach 1 248). — 
Über die Beweggründe der Oktroyierung herrscht Streit, — ein 
Streit, ähnlich dem über die Ursachen der Märzverheißungen, deren
	        
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