Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Die Oktroyierung. 53 
ment mit Radowitz zusammen die preußische Regierung zu vertreten 
hatte, zugezogen worden. Dieser Entwurf lehnte sich an die Reg Vorl 
vom Mai, enger aber noch an die Beschlüsse der Verfassungskommission 
und der Zentralabteilungen der Nat Vers (oben 42) an, — so eng, 
daß der König und Gerlach darüber in helle Entrüstung gerieten, wobei, 
ähnlich wie damals, als sie den Urentwurf zu Gesicht bekamen (oben 39) 
mit Prädikaten wie „Wisch“, „elende, traurige Verfassung“, nicht ge- 
spart wurde und Gerlach (a. a. O. 1 251) an den Ministerpräsidenten 
Brandenburg schrieb, warum man denn, wenn schon oktroyiert werden 
solle, hierzu gerade den „schlechten Waldeckschen Entwurf“ (d. h. den 
KommEntw der NatVers) nehmen wolle. Von den vielen (etwa 40) 
Abänderungen des Entwurfs, die der König forderte, wurden am 
23. November seitens des Staatsministeriums einzelne — bei weitem 
nicht alle — konzediert, darunter einige nicht unwichtige, wie z. B. die 
vom König verlangte Streichung der aus dem KommEntw der Nat Vers 
herübergenommenen Vereidigung des Heeres auf die Verfassung, eine Ein- 
schränkung des Zustimmungsrechts der Kammern bei Staatsverträgen, die 
Permanenz der Krondotation u. a. m. (Näheres bei Goldschmidt a. a. O. 
204). An dem ihm daraufhin neuerdings zur Genehmigung unterbreiteten 
Entwurf fand Friedrich Wilhelm IV. noch immer viel auszusetzen, „machte 
Artikel für Artikel seine Bemerkungen mit blauer Tinte und beschwor 
Brandenburg, von dieser Sache abzustehen“ (Gerlach 1 249). Indessen 
blieb das Ministerium jetzt fest und gab dem Könige, wie bei der ana- 
logen Situation am 16.—20. Mai 1848 (oben 40) nur mehr in un- 
tergeordneten Punkten nach, so daß der Entwurf im wesentlichen in 
der Gestalt, die er am 23. November erhalten hatte, am 5. Dezember 
die königliche Sanktion erhielt. Dem in der GS 1848 S. 375 ff. 
publizierten Text der oktr V (vgl. unten Anhang 2) ist ein Immediat- 
bericht des Staatsministeriums voraufgeschickt, worin die Oktroyierung 
dem König empfohlen und vor dem Lande (übrigens mit lediglich inner- 
politischen Erwägungen) gerechtfertigt wird. Der Schlußartikel (Art. 112 
Abs. 1) der oktr B bestimmt: „Die gegenwärtige Verfassung soll sofort 
nach dem ersten Zusammentritt der Kammern einer Revision auf dem 
Wege der Gesetzgebung (Art. 60 und 106) unterworfen werden“. 
5. Die Revision. 
Literatur: vRZ 1 66ff.; v. Roenne VerfUrk 6ff.; L. v. Gerlach 
Denkwürd. 1 300 ff., 369 ff., 381, 400 ff., 426ff.; F. Fischer, Geschichte 
der preuß. Kammern (18491; Unter Friedrich Wilhelm IV., Denkwürd. des 
Ministers O. v. Manteuffel, herausgeg. v. H. v. Poschinger 1 147 ff., 427 f.
	        
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