54 Die Revisionskammern.
Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch das
Allerh. Patent v. 5. Dez. 1848 einberufenen Kammern. I. Kammer, II.
Kammer (18491.
Die aus der Ersten und Zweiten Kammer bestehende Volksvertretung
des nunmehr konstitutionellen Staates Preußen wurde nach Maßgabe
der beiden Wahlgesetze vom 6. Dezember 1848 gewählt, auf den 26. Februar
1849 nach Berlin einberufen und an diesem Tage vom König in Person
durch eine Thronrede eröffnet. Die an die Thronrede sich anschließenden
Adreßdebatten beschäftigten sich vor allem mit der Frage der Rechts-
gültigkeit der oktrs. Die Frage wurde von beiden Kammern bejaht
und diese Bejahung in den an die Krone gerichteten Adressen zum Aus-
druck gebracht. In der Adresse der I. Kammer vom 17. März 1849
heißt es: „Die Verfassung vom 5. Dezember 1848, auf deren Grund
wir gewählt und berufen sind, erkennen wir als das zu Recht
bestehende Staatsgrundgesetz an und gewahren mit Dank, daß
durch die Verleihung derselben das Vaterland vor drohender Zerrüttung
geschützt und ein öffentlicher Rechtszustand wieder hergestellt worden ist.“
Gleicherweise versicherte die II. Kammer (Adresse v. 30. März 1849), daß
sie sich der Revision der V. vom 5. Dezember 1848, „des nunmehr
gültigen Grundgesetzes des Preußischen Staates“, mit dem dieser
großen Aufgabe entsprechenden Eifer unterziehen werde.
Beide Kammern gingen sodann an diese ihre Aufgabe heran.
Die Revision der oktr V war eine Totalrevision; die revi-
dierenden Kammern („Revisionskammern") haben den Verfassungstext
Artikel für Artikel durchberaten und über jeden einzelnen Artikel ab-
gestimmt, gleichviel ob Abänderungsanträge dazu gestellt waren oder
nicht. Nach Schluß des Revisionswerkes ist (einem Beschluß der I. K.
v. 8. Sept. 1849, I. K. 632 entsprechend), nicht nur dasjenige, was an
der oktr V durch übereinstimmende Beschlüsse beider Kammern unter
Zustimmung der Regierung geändert worden war, sondern der Gesamt-
text der revidierten V., auch soweit er den der oktroyierten unverändert
wiedergab, als Ganzes sanktioniert und verkündigt worden: die revidierte
Berfassung vom 31. Januar 1850 (GS 17) ist gegenüber der oktr B
ein nicht sowohl in Einzelheiten als im Ganzen neues Gesetz, welches
die oktr VL vollständig ersetzt und aufgehoben hat.
Die Revision war ein gesetzgeberisches Verfahren, welches sich
zunächst ohne Initiative, ja ohne jedes aktive Eingreifen der Staats-
regierung abspielte. Letztere beschränkte sich darauf, die Kammern zu
berufen und zu eröffnen, sie forderte sie nicht einmal formell aus, die
Revision in Angriff zu nehmen, machte ihnen auch keine Vorlagen,