Artikel 2. Kondominate. 73
punkten — s. Art. 48 — zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Land-
tags bedürfen, ist eine Frage für sich; mit Art. 2 haben sie nichts zu
tun. Das gleiche gilt von der Begründung (und Beendigung) von Perso-
nal= und Realunionen Preußens mit fremden Staaten, da es sich auch
hier nicht um territoriale Einverleibungen, sondern nur um die Gemeinsam-
keit des Staatsoberhauptes handelt. Siehe hierüber Art. 55. Schwartz und
Arndt, Komm., Noten zu Art. 55, irren, wenn sie Realunion und Annexion
staatsrechtlich gleichstellen und nicht nur die letztere, sondern auch noch
die erstere unter Art. 2 stellen. Art. 2 handelt ausschließlich von Gebiets-
veränderungen. Annexion (vollständige Inkorporation) ist Gebietsver-
änderung, Realunion nicht. Vgl. auch unten S. 79.
7. Ob Gemein= oder Gesamtherrschaften, Kondominate, bei
denen Preußen als Teilhaber erscheint, zu ihrer Begründung und Auf-
lösung der in Art. 2 vorgeschriebenen Gesetzesform bedürfen, hängt von
der rechtlichen Natur ab, die man dem Kondominat zuschreiben will.
Kondominat ist Gebietshoheit zu gesamter Hand; dieses Rechtsverhältnis
ist dann gegeben, wenn die Herrschaft über ein Land mehreren Staaten
nach Recht und Ausübung gemeinsam, das heißt ideell gleichanteilig
zusteht. Das Kondominatsgebiet gehört nach der richtigen, wiewohl
nicht unbestrittenen Ansicht (Jellinek, Allg. Staatsl. 1 383) nicht zu jedem
der beteiligten Staaten, sondern zu keinem. Es untersteht einer be-
sonderen Herrschaft, die von jeder der beteiligten Staatsgewalten ver-
schieden ist, es ist für jeden der condomini staatsrechtlich Ausland und
bildet insbesondere im Sinne der preuß. Verf. Art. 1 einen Bestandteil des
Staatsgebietes nicht. Wenn also ein bisher nicht zu Preußen gehöriges
Gebiet dem Kondominat Preußens und eines anderen Staates unter-
stellt wird, so bedeutet dies keine Veränderung der Staatsgrenzen,
Art. 2 findet keine Anwendung. Präzedenzfall: die Begründung des
preußisch-österreichischen Kondominats über Schleswig-Holstein und Lauen-
burg durch den Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864. Die Staats-
regierung war im Recht und verstieß jedenfalls nicht gegen Art. 2, indem
sie den Wiener Friedensvertrag dem Landtage nicht vorlegte.
Was nun andererseits die Auflösung von Kondominatsver-
hältnissen anlangt, so ist zu unterscheiden. a. Geschieht die Auflösung
durch Realteilung, d. h. durch Vereinbarung der condomini, die
bisherige Gemeinschaft fortab pro partibus divisis besitzen und ausüben
zu wollen, so fällt der für jeden der Gemeinschafter ausgeschiedene
Teil nunmehr unter dessen Alleinherrschaft, es tritt also für jeden
Staat Gebietsvergrößerung und demzufolge für Preußen die staats-
rechtliche Notwendigkeit eines Gesetzes gemäß Art. 2 ein. Ein Beispiel