74 Artikel 2. Auflösung von Kondominaten.
bietet die Teilung des preußisch-braunschweigischen Kommunionge-
bietes am Unterharz durch Vertrag vom 9. März 1874. Wenn, wie
geschehen, dieser Vertrag dem Landtage zur Genehmigung vorgelegt
und nach erteilter Genehmigung in der GS (1874, 295 ff.) verkündet
wurde (vgl. vRg 1 82), so genügte dies zwar nach der richtigen und seither
auch in der Staatspraxis durchgedrungenen Auffassung (s. hierüber unten
Nr. 8) dem Formerfordernis des Art. 2 nicht, der Mangel wurde aber
nachträglich ausgeglichen durch das G. vom 21. April 75 (GS 199) über den
Rechtszustand der kraft jenes Vertrages mit Preußen vereinigten Landes-
teile. b. Ebenso wie vorstehend ist zu entscheiden, wenn die Auflösung
durch Austritt des anderen Staates aus dem Kondominat bzw. durch Ver-
zicht auf seine Kondominatsrechte zugunsten Preußens bewirkt wird:
hierdurch wird das bisherige Kondominatsgebiet, welches bisher gar nicht
preußisch war, ganz preußisch, was nur durch einen Akt der Legislative
bewirkt werden kann. In dem einen der hierher gehörigen Präzedenz-
fälle wurde der am 17. Mai 1850 zwischen Preußen und Lippe abge-
schlossene Vertrag, worin der Fürst zur Lippe seine „mitlandesherrlichen
Rechte über die Samtstadt Lippstadt“ an Preußen abtrat und Preußen
„den ganzen Inbegriff der Landeshoheit über Lippstadt“ erwarb, vom
Landtage genehmigt, ein formelles Gesetz gemäß Art. 2 aber nicht er-
lassen. Diese Unterlassung war, wie auch E. Meier, Abschluß von Staats-
verträgen S. 253, zugibt, staatsrechtlich ebensowenig korrekt wie das
analoge Verfahren in dem oben angegebenen Falle der Teilung des
Kommunionharzes. Der zweite einschlägige Fall ist der Rücktritt Oster-
reichs von dem Kondominat über Lauenburg durch die Gasteiner Kon-
vention vom 25. August 1865. Hier entfernte sich die Staatsregierung
noch weiter als in dem ersten Falle vom Rechtsboden der Verfassung,
indem sie, obwohl doch jene Konvention die Einverleibung Lauenburgs
involvierte, es nicht sowohl unterließ als vielmehr ausdrücklich verweigerte,
dem Landtage einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen und sich
für befugt hielt, das Land Lauenburg als Erwerb nicht des Staates,
sondern der Krone zu behandeln, welcher nicht zu inkorporieren, sondern
in dem Verhältnis der Personalunion mit dem preußischen Staate zu
belassen sei. Siehe hierüber unten Nr. 11 S. 80, und Art. 55. Der Wider-
spruch, welchen das Hd Abg gegen diesen Standpunkt erhob, war begründet
und ist auch schließlich durchgedrungen: durch das G. v. 23.Juni 1876 betr.
die Vereinigung des Herzogtums Lauenburg mit der Preuß. Monar-
chie (GS 169) ist die Angelegenheit im Einklang mit Art. 2 erledigt
worden. Im Gegensatze hierzu ist der von der Verf. gewiesene Weg un-
verzüglich beschritten worden bei dem Erwerb von Schleswig-Holstein.