76 Artikel 2. Der Weg der Gesetzgebung.
in den früheren Auflagen, Schwartz 45 ff.) hat sich seit einem Präze-
denzfalle des Jahres 1877 auch die Staatspraxis angeschlossen. Die hier
in Rede stehende Formfrage gelangte damals zur Erörterung im HPH,
dem die Staatsregierung einen Grenzregulierungsvertrag mit Hamburg,
abgeschlossen vorbehaltlich der Ratifikation am 11. Mai 1875, zur Ge-
nehmigung vorgelegt hatte. Der hierüber erstattete Kommissionsbericht
(OH1877, Anl., Drucks. Nr. 80, S. 126ff.) tadelt die in der Praxis
hervortretende Neigung zur Vernachlässigung der durch Art. 2 vorge-
schriebenen Form. Bei Betrachtung der dreizehn Präzedenzfälle aus den
Jahren 1850—1876 finde man „zunächst Vertrag, Gesetz und Besitz-
ergreifungspatent, Vertrag und Patent, sodann Vertrag und Gesetz,
weiter einfache Verträge, denen die Zustimmung des Landtags erteilt
wurde, ohne Gesetzesform, Publikation dieser Verträge in der GS,
endlich auch Unterlassung der Publikation in der GS“. Es müsse aber
daran festgehalten werden, daß die bloße Genehmigung der Grenzver-
änderungsverträge durch den Landtag nicht ausreichend sei, daß es viel-
mehr in allen Fällen eines die Einverleibung bzw. Abtretung der Ge-
bietsteile ausdrücklich aussprechenden Gesetzes bedürfe, welches insbe-
sondere auch, soweit notwendig, über den Rechtszustand des erworbenen
Gebietes zu befinden habe. Die Rechtsansicht dieses Berichts (Referent:
der frühere Justizminister Graf zur Lippe) wurde sowohl vom HH als
vom AbgH und der Regierung adoptiert und ist danach nicht nur in
dem damals verhandelten Falle, sondern auch später (mit einer einzigen
Ausnahme: preußisch-bremischer Vertrag vom 14. März 92, Ge 251,
welcher ohne Gesetzesform vom Landtag einfach genehmigt wurde) ver-
fahren worden. Ein vollständiges Verzeichnis der seit Inkrafttreten der
Verfassung vorgekommenen Gebietsveränderungen geben Schwartz 46 f.,
(bis 1892) und vRB 1 78—86, 2 743 (seit 1892 bis 1906). Dazu
seit 1906: GS 1909 749ff., 752, 782, 1910 309, 1911 2, 3, 139f.
Im ganzen sind von 1850—1911 33 Fälle solcher Veränderungen zu
verzeichnen. Die umfänglicheren sind sämtlich Erwerbungen; hervor-
zuheben ist besonders der Erwerb der Hohenzollernschen Lande (G. vom
12. März 50, GS 289), des Jadegebietes (Verträge v. 20. Juli 53,
1. Dez. 53, (GS 1854 65), 16. Feb. 64 (GS 301); G. v. 23. März 73,
GS 119), des Königreichs Hannover, des Kurfürstentums Hessen, des
Herzogtums Nassau, der freien Stadt Frankfurt, der Herzogtümer Schles-
wig und Holstein, bayerischer und großherzoglich--hessischer Gebietsteile
(G. v. 20. Sept. 66, GS 555 und 2 Gesetze v. 24. Dez. 66, GS 8#25,
876), des Herzogtums Lauenburg (G. v. 23. Juni 76, GS 169) und der
Insel Helgoland (G. v. 18. Febr. 91, GS 11). In den anderen Fällen