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Jahrzehnte lang in ähnlicher Weise geführt worden ist, ohne zu
Missständen Veranlassung zu gewähren.
Die grösseren Amtsgerichte dagegen kannte die frühere Zeit
überhaupt nicht. Solche Justizbehörden waren früher kollegialisch
eingerichtet. Bei ihnen wird die Dienstaufsicht meist von älteren
Richtern geführt, die ihren Dienstort nicht mehr oder nur selten
wechseln; die Justizverwaltung hat ein Interesse, dass sie von
älteren Richtern geführt werde. Um dies zu erreichen, sollte
sie ihr Amt ihrerseits als ein dauerndes einrichten und ferner
ihre Stellung erhöhen.
Ein Vorgesetzter, der in jedem Augenblick removiert wer-
den kann, und zwar gerade von seiner Stellung als Vorgesetzter,
ist eine im Zivilbeamtenverhältnis eigenartig und einzigartig da-
stehende. Eine solche Stellung kann ihm nur unter besonderen
Verhältnissen die wünschenswerte Autorität geben; namentlich
gehört die völlige Gewohnheit der Beamtenschaft, den erforder-
lichen Gehorsam zu leisten, dazu, ihm nicht ungeahnte Schwie-
rigkeiten zu bereiten. Ob schon die jetzt heranwachsende Ge-
neration von Beamten geneigt sein wird, diesen (fehorsam zu
gewähren, ist sehr zweifelhaft.
Solange die Geschäfte durch die Landgerichtspräsidenten
noch unmittelbar zu leiten waren, so lange konnte die Stellung
der aufsichtführenden Richter, auch grösserer Amtsgerichte, als
ihrer Organe genügen. Aber diese Geschäfte haben allseitig
zugenommen und der Liandgerichtspräsident muss sich darauf
verlassen, dass die aufsichtführenden Richter auch da genügen,
wo er nicht verfügt, gesehen hat, gewesen ist.
Schon hat das Gesetz vom 10. April 1892 den aufsichtfüh-
renden Richter bei dem Amtsgericht I in Berlin die Befugnisse
eines Landgerichtspräsidenten (in hauptsächlichster Hinsicht) ver-
liehen, ihm aufsichtführende Richter zur Unterstützung in der
Dienstaufsicht über die nicht richterlichen Beamten zuordnen
(88 2. 6 das.), hat das Gesetz vom 17. Mai 1898 eine Teilung