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Auffassung ist Eigentümer derjenige, dessen Interesse eine Sache
dient. Ausflüsse. dieser verschiedenen Konstruktionen sind einer-
seits der römisch-rechtliche Satz: dominium plurium in solidum
esse non potest, andererseits die verschiedenen Formen des ge-
teilten Eigentums im deutschen Rechte.
In diesen bisher noch nicht beachteten Zusammenhang ge-
hört nun auch die Frage nach der selbständigen Existenz einer
Treupflicht. Bei jedem wie immer gearteten Dienstverhältnis —
das Wort im weitesten Sinne verstanden — lässt sich nämlich
die Frage aufwerfen, ob dasselbe vorzugsweise auf den Willen
oder vorzugsweise auf das Interesse des Dienstherrn gestellt ist.
lm ersteren Falle hat der Untergebene konkreten Befehlen des
Dienstherın Folge zu leisten, seine Pflicht ist überwiegend Ge-
horsanıspflicht; im zweiten Falle hat er seiner eigenen An-
sicht von dem, was dem Dienstherrn zum Nutzen oder Schaden
gereicht, zu folgen, d. h. seine Pflicht ist überwiegend Treu-
pflicht.
Wille und Interesse auf Seite des Berechtigten finden ihr
genaues Gegenstück an Gehorsam und Treue auf Seite des Ver-
pflichteten und dieTreupflicht muss daher von der
Gehorsamspflichtebenso scharfunterschieden
werden, wie das Moment des Interesses vom
Moment des Willens im Rechte des Dienstherrn.
Wenn daher JELLINEK ° der Treupflicht den selbständigen juri-
° System der subjektiven öffentlichen Rechte S. 187. Allerdings spricht
JELLINEK an dieser Stelle von der Treupflicht der Untertanen, aber Note 1)
auf S. 192 deutet darauf hin, dass mit dieser Argumentation auch die Treu-
pflicht der Beamten negiert werden soll. Dass eine Treupflicht der Unter-
tanen nicht existiert, ist freilich zuzugeben, jedoch aus einem anderen
Grunde, als den JELLINEK anführt. Von einem subjektiven Rechte des
Staates gegen einen seiner Untertanen kann nämlich nur dann die Rede
sein, wenn auf Seite des letzteren eine schon konkretisierte Pflicht z. B. zur
Zahlung einer bereits bemessenen Steuer, zum Antritt einer bereits durch
Urteil auferlegten Freiheitsstrafe und dgl. vorliegt. Hievon abgesehen lässt
sich, das Verhältnis des Staates zu seinen Untertanen in keiner Weise unter