504 Rußland. (Anf. März — 13.)
Anfang März. Die Petersburger Adelsversammlung richtet
eine Petition an den Kaiser um Wiederherstellung des Gesetzes, wo-
nach Niemand ohne Untersuchung und Rechtsspruch eines ordent-
lichen Gerichts in die Verbannung geschickt werden darf.
2. März. Batum wird zum Freihafen erklärt.
8. Märg. Mittelasien: der Leiter des Departements des Ans-
wärtigen, v. Giers, sucht den englischen Botschafter in St. Peters-
burg darüber zu beruhigen, daß Rußland wenigstens zunächst durch-
aus nicht über Geok Tepe hinaus an einen Angriff auf Merw denke,
ohne jedoch eine Verpflichtung für die Zukunft zu übernehmen.
(Dep. Lord Dufferin's an Granville.)
13. März. Ermordung Kaiser Alexanders II. durch ein nihi-
listisches Attentat: er wird durch eine Bombe in die Luft gesprengt.
Die Truppen leisten dem neuen Kaiser Alexander III. sofort den
Eid in den Kasernen. Das Winterpalais wird von einem Truppen-
cordon umgeben. Der Kaiser empfängt am folgenden Tage die
traditionelle Huldigung der höchsten Civilbehörden. Die nächsten
Urheber des Attentats sind in den Händen der Polizei.
In St. Petersburg versichert man sofort, die gesammten Fäden der
Verschwörung bereits in der Hand zu haben. Was davon zu halten ist,
zeigt die Thatsache, daß das nihilistische „Executionscomite“ unter Datirung
vom Tage des Mordes am Tage nachher aus der Geheimdruckerei der
„Narodnaja Wolja“ eine Proclamation erlassen kann, in welcher die Voll=
streckung des „Todesurtheils“ an dem Zaren angezeigt wird. Das „Todes-
urtheil“ jei unter dem 7. Sept. 1879 gefällt worden. Am 1. Dec. desselben
Jahres fand das Eisenbahnattentat in der südlichen Vorstadt von Moskau
statt. Im weiteren Verlauf der Proclamation wird Alexander III. vor dem
Beispiele seines Vaters gewarnt und am Schlusse an die Gesinnungsgenossen
die Bitte gerichtet, die Sache der Revolution auch ferner zu unterstützen,
falls ein Kampf gegen Alexander III. nothwendig werden sollte. Einstweilen
läßt man dem neuen Zar also noch eine Frist.
Unerwartek ist das Ereigniß allerdings für Niemanden. Der Mord
hat ein gekröntes Haupt nun endlich getroffen, dem er lange vergeblich nach
dem Leben gestanden war. Fünfmal, am 16. April 1866 zu St. Peters-
burg, am 6. Inni 1867 zu Paris, am 14. April 1879 zu St. Petersburg,
am 1. December desselben Jahres auf den Eisenbahnschienen vor Moskau,
endlich am 17. Februar 1880 durch das Explosionsattentat im Petersburger
Winterpalast war das Leben des Zaren Alexander II. gewaltsam bedroht
gewesen; am 13. März hat ihn der Mord auf schreckliche Weise erreicht
und der Beherrscher des geographisch größten Reiches der Erde liegt durch
Meuchelmord von Seiten seiner Unterthanen blutig auf der Bahre.
Der neue Zar Alexander III. ist am 10. März 1845 geboren und
seit dem 9. November 1866 mit der jepigen Kaiserin Maria Feodorowna,
als Prinzessin Dagmar von Holstein-Glücksburg am 26. November 1847
geboren und zweiten Tochter des jezigen Königs Christians IX. von Däne-
mark, vermählt. Er war nicht für die Thronfolge geboren und bestimmt,