Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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wenn der Staat in Fällen des freien Ermessen der Verwaltungs- 
behörden dem betreffenden Beamten nur den von BERNATZIK’ 
formulierten Imperativ zuruft: „Tue was du glaubst, dass es 
durch das öffentliche Wohl bedingt ist“, so liegt darin gewiss 
kein konkreter Befehl, sondern die Erklärung, einen solchen Be- 
fehl nicht erteilen zu können oder zu wollen und das, was zu 
tun oder zu unterlassen ist, von der eigenen Ansicht des Dienst- 
pflichtigen abhängig zu machen. Dieser Erkenntnis verschliesst 
sich auch JELLINEK selbst nicht, weshalb er neben der Gehor- 
samspflicht eine selbständige „Pflicht zu zweckmässigem Handeln“ 
statuiert, die dem Gesagten zufolge mit der richtig verstandenen 
Treupflicht vollkommen identisch ist. Es handelt sich also nur 
‚um eine Aenderung im Ausdrucke, die aber keine Verbesserung 
bedeutet; denn ein Beamter kann sich ebenso wenig verpflichten, 
„zweckmässig“ zu handeln, wie. sich ein Künstler verpflichten 
kann, „schöne“ Bilder zu malen oder ein Schriftsteller „geist- 
reich“ zu schreiben. Das Recht wendet sich nur an den Willen; 
aber der Erfolg hängt nicht vom Willen allein ab. 
Es bedarf nun keiner weiteren Ausführung um einzusehen, 
in wie mannigfacher Weise in jedem Dienstverhältnisse, insbe- 
sondere aber im Verhältnis des Beamten zum Staate Wille und 
Interesse, Gehorsamspflicht und Treupflicht miteinander verbun- 
den sein können. Was man im gewöhnlichen Leben als relative 
Abhängigkeit oder Unabhängigkeit einer dienstlichen Stellung 
bezeichnet, ist nichts anderes als das Vorwalten des einen oder 
des anderen jener beiden im Gegensatz zu einander stehenden 
Momente. Und zwar ist hiefür weit weniger der Rang des 
Beamten, als die Natur der Dienste entscheidend, die er zu 
leisten hat. So ist beispielsweise das militärische Dienstver- 
hältnis ebenso unverkennbar auf den durch die Befehle der Vor- 
gesetzten vermittelten Staatswillen gestellt, wie im Dienst- 
verhältnisse von Beamten, die den Staat diplomatisch zu ver- 
4 Rechteprechung und materielle Rechtskraft 8. 46.
	        
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