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polnisch zu sprechen und zu verstehen; die Geschäftssprache,
welche der Beamte allein zur Anwendung zu bringen habe, sei
vielmehr daselbst ausschliesslich die deutsche; hiernach sei jene
Versammlung, da sie die Ueberwachung durch den Gebrauch
der polnischen Sprache dem Beklagten unmöglich gemacht habe,
von diesem gesetzmässig aufgelöst worden ®.
Inzwischen aber hatte sich die polnische Partei des preus-
sischen Abgeordnetenhauses der Sache bemächtigt‘. Am 8. März
1876 brachte der Abgeordnete von LYsKowski eine Interpellation
betreffend die Auflösung von Volksversammlungen wegen unter-
lassener Anwendung der deutschen Sprache in denselben ein,
am 21. März begründete der Interpellant seine Anfrage, und
das Haus beschloss eine Besprechung: der Angelegenheit. Dabei
bezeichneten von LYSKowskI und die ihm sekundierenden Redner
das Verfahren der Polizei im Skurczer und Neukircher Falle
als eine Verletzung des im Art. 29 Abs. 1 der Verfassung ge-
währleisteten Grundrechtes der Versammlungsfreiheit des preus-
sischen Staatsbürgers. Demgegenüber schwieg sich der Minister
des Innern, Graf FRIEDRICH ZU EULENBURG, in seiner Beantwor-
tung der Interpellation zwar darüber aus, inwieweit der Gesichts-
punkt der preussischen Geschäftssprache für die Beurteilung der
Rechtsfrage ins Gewicht falle, .erklärte sich aber dennoch im
wesentlichen für identisch mit der Stellungnahme des Stargarder
Kreisausschusses. Er gab zu, dass weder die preussische Ver-
fassungsurkunde noch das Vereinsgesetz ausdrücklich bestimmten,
politische Versammlungen dürften nur in deutscher Sprache ver-
bandeln. Dennoch aber ergebe sich diese Konsequenz aus dem
Rechte der staatlichen Ueberwachung solcher Versammlungen,
das illusorisch sein würde, wenn das überwachende Polizeiorgan
die Versammlungssprache nicht verstehe. Dass aber der preus-
sische Staat, um diesem Dilemma zu entgehen, für Beamte sorgen
® Entscheidungen des Kgl. Oberverwaltungsgerichts. Bd. I. S. 348 f.
* Vgl. Sten. Ber. a. a. O. S. 831—841.