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nach einer Uebersicht über die ‚Verfassungsentwicklung im 19. Jahrhundert
erörtert: 1) die Geschichte ‘des englischen Staatsrechts als Wissenschaft,
2) der englische Korporationsbegriff und die Frage, in welcher Weise er
für den Staat gilt (nicht für den Staat als solchen, sondern nur für König
und Parlament und sonstige Staatsorgane), 3) die Quellen des englischen
Rechts (Common, Statute law) und Equity und ihr gegenseitiges Verhältnis,
4) Staatsgebiet und Staatsbevölkerung, 5) Parlament (Organisation und Auf-
gaben), 6) Parliamentary Government, unter starker Betonung, dass: dazu
in England auch gehört ein Mitausüben der laufenden Inneren und Finanz-
verwaltung durch das Parlament in den Comitees, 7) die Krone.
Um der wissenschaftlichen Aussprache willen sei auf ein paar Punkte
näher eingegangen.
Ich will nicht von nebensächlichen Dingen reden, wie dass der recht-
liche Unterschied zwischen Pairschaft und Lordschaft noch schärfer hätte
gefasst werden können, dass es wohl nicht zutreffend ist, das Veto des
Königs als rechtlich beseitigt anzusehen (S. 645) und dass es nicht angeht,
die Staatssekretäre der Vereinigten Staaten rechtlich als blosse Clerks des
Parlamentes zu charakterisieren (S. 565) — meines Dafürhaltens sind sie
vom Kongress und der Kongress von ibnen unabhängig —. Grundsätzliche
Fragen möchte ich herausheben.
Ich meine, der Verfasser hat sich nicht immer genügend von den Kon-
struktionen der englischen Jurisprudenz frei gemacht, andrerseits manchnal
zu leicht sich über tatsächlich-rechtliche Erscheinungen hinweggesetzt.
S. 169 schreibt H.: „Die Herrschaftsgewalt des englischen
Parlaments reicht nicht bloss über England, sondern theoretisch
auch über alle mit ihm in Verbindung stehenden und ihm unterge-
ordneten Länder (dependencies)*.
Der Satz ist zweifellos richtig. Aber ich glaube, die Beweisführung H.'s
hiefür ist keine ganz geschlossene.
Den Ursprung der Herrschaft des Parlaments bildet das Common law.
Aber Common law gilt, lehrt die englische Rechtswissenschaft, nur soweit,
als das Schreiben des Königs eilt („where the writ of the king runs“).
Aber das Schreiben des Königs (die schriftliche von ihm erteilte Ermäch-
tigung zur Prozesseinleitung; s. $. 170) lief doch nicht in die Kolonien,
nicht einmal nach den Kanalinseln und der Insel Man. Wie kommt ulso
die Herrschaft des Parlaments auch in die Kolonien. Wäre hienach da-
selbst nicht der König allein zuständig? Auch dessen Rechte ruhen auf
Common law. Da die Kolonien doch — und zwar jede für sich — im Ver-
hältnis zum Gebiete des Mutterlandes ein besonderes Rechtsterritorium dar-
stellen, bildet ihre Verwaltung — hierin stimme ich H. völlig bei — für
das Mutterland eine auswärtige Angelegenheit, eine Vertretung nach Aussen.
Somit ist hiefür ausschliesslich zuständig die Krone. Die Vertretung nach
Aussen stellt doch das wesentlichste Praerogativrecht des Königs dar. Nur