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Kohleneinnahme ist an sich keine „feindliche“ Handlung. Wäre
sie das, so dürfte sie in neutralen Gewässern niemals erlaubt
sein, was dem Völkerrechte widerspricht. Die Neutralität des
Küstenmeeres steht auch insofern nicht entgegen, als das Kohlen
aus Transportschiffen einen Aufenthalt in neutralem Gewässer
bedingt. Ein solcher Aufenthalt wird grundsätzlich (nach eng-
lischer, herrschender Praxis 24 Stunden) zugelassen. Ferner ist
Bekohlung aus Transportschiffen, welche die Flotte begleiten
und jedenfalls als ihr Zubehör zu betrachten sind, rechtlich etwas
anderes als die Kohleneinnahme aus neutralem Hafen. Im letz-
teren Falle erhält die Flotte aus neutralem Gebiet eine positive
Förderung, im ersteren Falle dagegen nicht. Der einzige Grund,
der gegen jenes Verfahren m. E. angeführt werden kann, ist
die Ausnutzung des Schutzes, den das neutrale Küstenmeer
kraft seiner Neutralität gewährt, zur Vorbereitung kriegerischer
Unternehmungen. Da aber diese Vorbereitung (Kohlenein-
nahme) sogar in neutralen Häfen und von ihnen aus rechtsgrund-
sätzlich in gewissen Grenzen zulässig ist, so kommt es lediglich
darauf an, ob dieser Schutz gemissbraucht wird, so dass
neutrales Seegebiet zur Basis maritimer Operationen wird (as a
slalion or place of resort for any warlike purpose, or for the
purpose of obtlaining any facilities of warlike equipment:
stehende Formel in England und den Vereinigten Staaten.) Ein
Missbrauch kann dann vorliegen, wenn das Schiff, in den Schutz
neutralen Gewässers vor dem Gegner zurückweichend, hier seinen
Kohlenbestand ergänzt, um wieder ins Gefecht zu gehen. Auf
der Reise zum Kriegsschauplatz (dies Wort wird hier in tatsäch-
licher, nicht iin rechtlicher Beziehung genommen) trifft jene Voraus-
setzung aber nicht zu. Wollte man den russischen Flotten die
Bekohlung aus begleitenden Transportschiffen in europäischen
Tat ein solches Verbot ausgesprochen. Dies ist Jedoch lediglich eine Folge
des unter IV zu besprechenden eigenartigen englischen Standpunktes in
diesem Kriegc