Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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führen. Denn einerseits wird ein Kriegsschiff, wenn es auch bei 
der letzten in neutralem Hafen vollzogenen Kohleneinnahme 
einen bestimmten weiteren Hafen als unmittelbares Ziel ange- 
geben hat, sich nicht abhalten lassen brauchen und dürfen, unter- 
wegs Kauffahrer, die es trifit, zu visitieren oder begegnenden 
feindlichen Kriegsschiffen einen Kampf zu liefern. Sodann aber 
würde ein kriesführender Staat, wenn sein Staatsgebiet vom See- 
kriegsschauplatz entfernt liegt, durch ein absolutes Verbot der 
Kohleneinnahme in den dem Kriegsschauplatz nahe liegenden 
neutralen Häfen in der Kriegführung sehr empfindlich gehemmt 
werden. Es ist leider wahr, dass die Praxis des Völkerrechts 
stark durch Politik beeinträchtigt wird — obgleich Recht und 
Politik Gegensätze sind. England würde wohl jene strenge Auf- 
fassung nicht vertreten, wenn es nicht sehr wohl wüsste, dass es 
im Falle eines eigenen Krieges durch diese Strenge nur Vor- 
teil'haben kann, da es selbst auf der ganzen Erde zahlreiche 
Flottenstützpunkte hat, während andere Staaten in ungleich 
grösserem Masse auf neutrale Häfen angewiesen sind. England 
sollte sich im gegenwärtigen Kriege daran erinnern, dass es unter 
ganz ähnlich liegenden Verhältnissen, nämlich im französisch-chine- 
sischen Kriege d. J. 1884/85 an seinen allgemeinen Regeln festhielt, 
wonach für die Kohlenergänzung der nächste nationale oder der 
nähere Bestimmungshafen des Schiffes als Massstab gilt und ein 
zweimaliges Kohlennehmen innerhalb 3 Monate in britischen Ge- 
wässern nur ausnahmsweise mit besonderer Erlaubnis zulässig ist!. 
Diese beiden englischen, von zahlreichen Staaten übernom- 
menen Regeln, die mit der Rechtsauffassung der deutsch-franzö- 
sischen Staatengruppe nicht in Widerspruch stehen, dürften nach 
heutigem Neutralitätsrecht für das Verhalten in der Nähe des 
Kriegsschauplatzes. im allgemeinen das richtige treffen. Auch 
nahe dem Kriegsschauplatze darf einem erschöpften Kriegsschiffe 
i Die Angabe, England hätte damals jede Kohleneinnahme verboten 
(v. HOLTZENDORFF, Handbuch Bd. IV, S. 683), ist ungenau.
	        
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