— 18 —
Der Verzicht der Einzelstaaten auf eine Reihe von Rechten ist
eine mit der Geburt des Norddeutschen Bundes zusammenfallende
vertragsmässige Abtretung an das neue Staatswesen!.
„Allein dieses kommt eben erst zur Entstehung“, wendet
Kuntze (S. 41) ein — und das mit vollem Rechte Ein Ver-
trag ist hier einfach undenkbar. Doch ebenso unmöglich können,
wie KUNTZE will, die Einzelstaaten uno actu einen neuen Willen
über sich hervorgebracht und sich demselben unterworfen haben.
Durch Unterwerfung bringt niemand einen neuen Willen
über sich hervor. Es erhellt, dass die Tatsache, dass ein be-
stehender Staat sich aus freiem Entschluss unter die Oberhoheit
eines anderen bestehenden Staates begeben oder gar in ihm auf-
gehen lassen kann, nicht geeignet ist, als Stütze für die KuNTZE-
sche Theorie zu dienen. Die Einzelstaaten haben nicht etwa zu-
gunsten Preussens auf ihre Souveränetät verzichtet, sondern sie
sind einer neuen Staatsgewalt unterworfen worden. Und ferner
ist zu beachten, dass auch in dem von KUNTZE angezogenen
Falle ein Verhältnis der Ueber- und Unterordnung nicht ohne
Willenstat des Oberstaates begründet werden kann.
Nach der Gesamtaktstheorie handeln die Einzelstaaten in
der Weise zusammen, dass die Bundesstaatsschöpfung eine Tat
ist, zu welcher sich die 22 Einzelstaatswillen vereinigt haben.
Jeder Staat hat zu dem Ende seinen Willen mit dem der übri-
gen „zusammengeschlossen“.
Damit dürfte wohl nichts anderes gesagt sein, als was BIN-
DING bereits ausgeführt hatte: Ein Gemeinwille soll den
Neustaat gegründet haben. Dies mysteriöse Ding, dieser eine
Wille, der aus der Summe von 22 Willen besteht. soll in nicht
minder geheimnisvoller Weise die Tat vollbracht haben: die
Gründung des Bundesstaates. Ein solcher Gemeinwille führt
ı Trıeps S. 85 ff.
* Vergleiche JELLINEK, Allgemeine Staatslehre S. 708 Anm. 1.
® Die Gründung des Norddeutschen Bundes (1889), S. 70.