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zutreffend, da die polnische Agitation erst neuerlich das ver-
meintliche Versammlungsrecht auszubeuten unternommen habe,
ausserdem aber auch rechtlich irrelevant. Jeder Zweifel über
die Tragweite des Artikels 29 der Verfassungsurkunde müsse
jedoch schwinden, wenn man erwäge, dass nach ihm das poli-
tische Vereinsrecht kein absolutes, sondern ein durch Gesetz
beschränkbares sei, -Der Artikel könne daher auch nur in Ver-
bindung ‚mit der Verordnung vom 11. 3. 1850 interpretiert wer-
den. Nun dürfe man aber kaum bezweifeln, dass der Gesetz-
geber bei Erlass dieser Verordnung nur Versammlungen im Auge
gehabt, in denen die den Polizeibeamten gemeinverständliche
deutsche Sprache, die gleichzeitig die Geschäftssprache der Be-
amten sei, gebraucht werde. Nur deshalb also, weil man die
ausschliessliche Anwendung der deutschen Sprache für selbstver-
ständlich gehalten habe, sei in dem Gesetz kein Unternehmer
einer Versammlung verpflichtet worden, bei ihrer Anmeldung an-
zugeben, in welcher Sprache verhandelt. werden würde. Und
ebenso sei für die Bestimmung des Gesetzes, wonach die Polizei-
behörde auch Nichtbeamte als überwachende Abgeordnete in
Versammlungen entsenden könne, nach den Motiven des Ge-
setzes lediglich der Gesichtspunkt miassgebend gewesen, dass bei
gleichzeitigem Auftreten zahlreicher politischer Klubs die Perso-
nalkräfte der Polizei nicht ausreichen könnten. Nach alledem
ergebe sich aus dem gesetzlich festgelegten staatlichen Aufsichts-
recht über Versammlungen, in denen öffentliche Angelegenheiten
erörtert würden, nur eine doppelte Möglichkeit der Auslegung
des im Artikel 29 der Verfassungsurkunde gewährten Versamm-
lungsrechtes. Da diese staatliche Aufsicht nur unter der Vor-
aussetzung des Gebrauchs der deutschen Sprache ausgeübt wer-
den könne, so sei der Gesetzgeber entweder von der Voraussetzung
ausgegangen, das in der Verfassung gewährte Recht sei unter der
stillschweigenden Voraussetzung gegeben, es werde nur in der allge-
meinen Landessprache verhandelt werden, oder aber der Gesetz-